Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
schlugen aufeinander und er konnte nichts gegen das heftige Zittern tun. Seine Furcht war ein fast schon greifbares, schreckliches Etwas und Danilo krümmte sich angesichts dieser Intensität.
„Ich schaffe es nicht“, presste Angel hervor. „Ich will das nicht mehr! Es … es bringt mich um. Es wird mich töten.“
„Wovon sprichst du? Mann, rede , was ist passiert?“
Angel schüttelte heftig den Kopf, als hätte er Angst vor seiner Antwort, deren Wahrheit unerträglich war. Verwirrt blickte er sich um. Er würgte an vergessen geglaubten Bilder, die unbarmherzig und das erste Mal ganz klar sein Bewusstsein erreicht hatten, dann übergab er sich voller Qual.
Es war keiner von Angels üblichen Krampfanfällen, das hatte Danilo schnell erkannt. Etwas Ungeheuerliches musste ihn vollkommen durcheinander gebracht und aus der Bahn geworfen haben. Er konnte sich nicht erinnern, dass sich sein großer Bruder jemals derart von seiner Furcht hatte beherrschen lassen. Nicht einmal als Kind. Er war stets der starke Beschützer des sensiblen, jüngeren Danilo gewesen, der ihm die Tränen trocknete, den niemand verletzen konnte.
Angels Herz stolperte ungleichmäßig und seine Brust schmerzte beim Atmen. Mit einem gemurmelten „Entschuldige“ taumelte er ins Bad.
Es dauerte nicht lange, bis er frisch geduscht in das Schlafzimmer zurückkam, wo Danilo inzwischen die Spuren von Angels Missgeschick beseitigt hatte. Der Jüngere erschrak, als er den von heftigem Bürsten und heißem Wasser tiefrot gefärbten Oberkörper des Freundes sah.
„Ich wollte nicht, dass so etwas passiert“, erklärte Angel tonlos. Mit hängenden Schultern und halb geschlossenen Augen stand er vor Danilo. Obwohl er vor Erschöpfung schwankte, wagte er nicht , sich auf dem Bett niederzulassen. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Wand.
„Ich habe es nicht gewollt. Nicht … so … Das musst du mir glauben, bitte“, flehte er.
„Ich weiß, Angel“, versuchte Danilo den erneut hektisch keuchenden Freund zu beruhigen und verstand dabei noch immer nichts. „Es ist schon gut. Ich gebe dir eine …“
„Sie hat mich …“, unterbrach er Danilo hastig, als fürchtete er , an dem Wissen zu ersticken, wenn er es nicht mit jemandem teilte. „Sie war einfach da. Ich hatte nicht bemerkt, dass sie noch im Haus war. Dass sie gestern nicht gegangen ist wie all die anderen.“
„Wer war hier, Angel?“ , fragte Danilo, obwohl bereits eine düstere Ahnung in ihm keimte. „Von wem redest du?“
„Sina … Doktor Bertram“, antwortete er gequält und schluckte angestrengt an etwas Unsichtbarem.
Angewidert blickte Danilo von seinem Freund zu dem zerwühlten Bett und bellte heiser: „Sina? Nein, das … Ich glaube es nicht! Du hast wieder mit ihr geschlafen? Nach all dem, was gestern mit Karo passierte?“
„Ne in! Ich wollte … sie hat … sie hat mich …“
Er stolperte einen Schritt zur Seite. Er konnte nicht verstehen, was er in Danilos zornigen Augen las, obwohl es eindeutig war: Sein Freund glaubte ihm nicht! Er sank auf die Knie und kroch vor Angst in sich zusammen.
„ Du musst mir glauben.“ Mit einer hilflos anmutenden Geste streckte er Danilo seine geöffneten Hände entgegen, an deren Gelenke deutlich die blutunterlaufenen Spuren der Fesseln zu erkennen waren. Er musste sich wie ein gefangenes, wildes Tier gewehrt haben, ohne den Schmerzen, die er sich damit selber zufügte, Beachtung zu schenken.
„Was war außerdem?“, fragte Danilo unbarmherzig.
Unsicher versuchte Angel dem drängenden Blick des Freundes auszuweichen, seine Augen irrten durch den Raum und seine Finger strichen ohne Unterlass über die geschundenen Handgelenke. „Nichts. Nichts weiter.“
„Angel!“
„Ich … ich kann nicht.“
„Was ist passiert, großer Bruder? Lass uns endlich darüber reden.“ Danilo kniete sich vor Angel. „Was haben sie dir angetan? Rede, bevor es dich umbringt! Es ist stärker als du. Alleine hast du keine Chance, hast du das denn noch immer nicht kapiert?“
Genau wie Danilo ahnte er, dass sein Erinnerungsvermögen langsam heilte. Er erkannte Gesichter, wo zuvor lediglich Schatten gewesen waren, hörte Namen, wo zuvor nichts als Schweigen geherrscht hatte. Die Pendel der Zeit arbeiteten unaufhörlich. Für ihn oder gegen ihn? Noch fehlten zahlreiche Puzzleteilchen, die alles zu einem Ganzen zusammenfügen würden, doch auch die würden irgendwann an ihren Platz fallen. Manchmal, in den schlimmsten Momenten, hatte er
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