Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
Schreck.
„War um hast du mich nicht geweckt?“
Mit einem leisen Aufschrei fuhr sie herum, als ihr Angel ins Ohr flüsterte. Sie hatte ganz vergessen, wie leise er sich bewegte. Auch diesmal hatte er sich ihr geräuschlos genähert und lachte nun leise vor sich hin angesichts seines gelungenen Scherzes. Er strahlte sie mit seinen jetzt wieder klaren Augen an und machte in der Tat den Eindruck eines kerngesunden Mannes. Zu einer schwarzen Jeanshose trug er einen weißen Rollkragenpullover, was ihm ausgesprochen gut stand. Hatte er etwa vor, Ski fahren zu gehen? Einfach so? Als wäre nichts passiert?
Er zog die ungläubig blickende Frau zu sich, um sie zu küssen.
„Was ist?“, fragte er plötzlich unsicher, als er ihren Widerstand spürte.
Sie war nicht imstande , ihm zu antworten. Mit einem gequälten Seufzer schüttelte sie lediglich schwach den Kopf. Erst da fielen ihm ihre unnatürliche Blässe und die nach wie vor geröteten, verquollenen Augen auf.
„Das fragst du mich?“, murmelte sie mit belegter Stimme.
„Aber … Karo?“
Hatte er das vorhin etwa bloß geträumt? Ein Traum derart real, dass er noch ihren Duft in der Nase zu haben glaubte? Ihren Geschmack auf den Lippen. Sie hatten sich geliebt und es war kein Traum gewesen. Sein Lächeln erstarb, denn er ahnte, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Einer spontanen Eingebung folgend schaute er auf seine Uhr.
„Es ist bereits drei Uhr. Karo? Waren wir heute schon Mittag essen? Oder Ski fahren?“ Wachsende Unruhe machte sich in ihm breit. „Was haben wir … danach gemacht?“
Als sich ihre Blicke trafen, hätte sie am liebsten die Hände vors Gesicht geschlagen. Furcht ergriff sie und maßloses Mitleid und ihr Herz schmerzte unsäglich. Sie ertrug seinen gequälten Blick nicht länger und drehte sich hastig wieder dem Fenster zu.
Angel trat einen Schritt näher zu ihr, beherrschte sich jedoch, um Karo nicht einfach mit sanfter Gewalt zu sich herumzudre hen und Antworten zu verlangen.
„Was ist passiert?“
„Frag Danilo. Ich habe kein Wort von dem verstanden, was er mir erzählt hat.“
„Ich hatte einen … Anfall.“ Seine Stimme kippte bei diesem Wort, das von nun an wie ein Damoklesschwert über seiner Beziehung zu Karo hängen würde, das für die Frau, die er liebte, auf ewig mit Entsetzen und Angst verbunden sein würde. Ihr Schweigen bestätigte lautstark seine Vermutung und er stöhnte innerlich auf.
Großer Gott, warum?! Die Gewissheit, dass ausgerechnet sie zu diesem Zeitpunkt bei ihm gewesen war, bestürzte ihn. Was wollte er ihr noch antun? Er hatte das erdrückende Gefühl, alles falsch zu machen, wenn es um Karo ging. Sicher, er hatte sie in die Klinik gefahren, als sie von diesen Irren verletzt worden war. Das war auch das Mindeste gewesen, was er für sie hatte tun können. Fakt war allerdings, dass er sich bei der Verfolgung des Fluchtautos verfahren und damit wertvolle Zeit verloren hatte, Minuten, vielleicht sogar bloß Sekunden, die ausgereicht hätten, um Karos Unfall zu verhindern.
Sie dagegen hatte selbstlos an seinem Krankenbett ausgeharrt und seinetwegen auf ihre wohlverdienten Ferien und die geliebte Malerei verzichtet. Statt sich in der Sonne zu aalen, mit ihrer Freundin die Nacht zum Tag zu machen und sich um die Ausstellung ihrer Bilder zu kümmern, war sie die ganze Zeit bei ihm geblieben, bei dem Mann, der die Schuld an diesem Desaster trug. Der mehr Schuld auf sich geladen hatte, als sich eine Frau wie Karo überhaupt nur vorstellen konnte.
Zwar hatte i hr strahlendes Gesicht bei ihrem Wiedersehen von ehrlicher Freude gezeugt und die zärtlichen Berührungen am Morgen hatten sämtliche Zweifel für einen Moment zum Verstummen gebracht, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass er sich ihr ungefragt aufgedrängt und die Pläne der Mädchen für einen Urlaub zu zweit über den Haufen geworfen hatte. Möglicherweise sogar ihre Pläne für die Zukunft.
Und um seine Gewissensqualen perfekt zu machen, hatte er den Zauber, der über ihrer Vereinigung gelegen hatte, zerstört und sie vermutlich zu Tode erschreckt.
„Was immer das auch war – du hattest es.“
Angel trat hin ter Karo, wagte aber nicht, sie zu berühren. „Das wollte ich nicht. Ich hätte dir sagen sollen, dass … manchmal …“ Er ließ die Schultern sinken. Welchen Sinn hätte angesichts der Schwere seiner Schuld schon eine verbale Entschuldigung? „Ich wollte dich nicht ängstigen, Karo. Vielleicht hatte ich gehofft, es
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