Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
Holz.
Sie sah Matt in die Augen. »Warum habe ich nicht aus diesem Wald herausgefunden?«, fragte sie.
Matt blinzelte. »Ist das eine ernst gemeinte Frage?«
Emily seufzte. »Danke für die Jacke«, murmelte sie und stapfte an ihm vorbei. Und danke, Mama, dass ich allmählich meinen Verstand verliere, fügte sie in Gedanken hinzu.
Matt holte sie mit ein paar Schritten ein, die Zügel seines Pferdes hatte er um sein Handgelenk geschlungen. »Warum hast du nicht gleich gesagt, was du in Hollyhill willst?«, fragte er. »Dass es um deine Mutter geht?«
»Ist dir eigentlich bewusst, dass sich jeder Satz von dir wie ein Vorwurf anhört?«
»Und ist dir bewusst, dass du kaum eine meiner Fragen je direkt beantwortet hast?«, gab er sofort zurück. Er blieb stehen und hielt Emily am Arm fest. In seinen Augen funkelte es. »Ich will meine Ferien dort verbringen«, äffte er Emily in einer grässlichen Quietschstimme nach. »Das Dorf soll sehr idyllisch sein. Eine Freundin hat es mir empfohlen.«
Emily starrte ihn verblüfft an. Schließlich senkte sie ihr Kinn auf die Brust und röhrte in dem tiefsten Tonfall, den sie hinbekam: »Och, keine Ursache, Schätzchen, ich hab’ dich gern mitgenommen, ich musste sowieso in die Gegend.«
Um Matts Mundwinkel zuckte es. Er betrachtete sie einige Sekunden lang schweigend, dann erklärte er ruhig: »Ich habe dich nie Schätzchen genannt.«
»Und mir hat noch nie jemand unterstellt, ich würde klingen wie Paris Hilton in ›The Simple Life‹«, gab Emily zurück.
»Also gut.« Matt fuhr sich mit der freien Hand durch seine ohnehin schon zerzausten Haare. »Ich muss zugeben, ich war überrascht. Unser Dorf ist ziemlich abgelegen. Dass jemand gezielt danach sucht, kommt nicht sehr häufig vor.« Er warf Emily einen Seitenblick zu, während er sich wieder in Bewegung setzte. »Wie kamst du darauf, nach Hollyhill zu suchen?«
Einen Moment lang fragte sich Emily, ob diese ganze Situation seit ihrer Ankunft in England nicht ihre eigene Schuld war. Matts kühle Abneigung, Sillys nichtssagendes Gebrabbel und die Tatsache, dass ihre Vermieterin ihr offensichtlich aus dem Weg ging. Hätte sie von Anfang an gesagt, warum sie hier war – vielleicht wäre sie ganz anders empfangen worden. Nicht so distanziert. Nicht so ablehnend.
Emily beschloss, nicht länger um das Wesentliche herumzureden.
»Meine Mutter hat mir einen Brief geschrieben«, begann sie. »Noch vor meiner Geburt. Meine Großmutter fand ihn in ihrem Schreibtisch, nachdem meine Eltern gestorben waren.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Schultern nach oben. Ihr war immer noch kalt. »Hollyhill – der Name des Dorfes stand in dem Brief«, fuhr sie fort. »Meine Mutter schrieb, es sei ihr Heimatdorf gewesen. Und ich sollte – ich müsste – hinfahren, um … um meine Wurzeln kennenzulernen.«
Sie waren fast da. Vor sich sah Emily den Feldweg in die kopfsteingepflasterte Straße übergehen.
Hollyhill, das Dorf, das meine Heimat war.
Noch einmal blieb Matt stehen. Er sah Emily nicht an, als er fragte: »Woran ist sie gestorben?«
Emily runzelte die Stirn. Nach all den Jahren versetzte es ihr immer noch einen Stich, wenn sie gezwungen war, über den Tod ihrer Eltern zu sprechen. »Es war ein Autounfall«, sagte sie, »als ich vier war. Mein Vater war sofort tot, meine Mutter starb … sie starb im Krankenhaus.« Hier endete ihre Erklärung. Immer. Sie war einfach nicht bereit, über den Unfall zu sprechen. Sie sah Matt an.
»Das tut mir leid«, sagte er und seine Stimme klang rau, obwohl sein Blick so seltsam leer auf Emily wirkte, dass sie wegschauen musste. Sie dachte schon, er würde nichts weiter sagen, doch dann fuhr er fort: »Du hast recht, du solltest mit Rose reden. Sie ist deine Großmutter.«
5
D ie Sonne schien in Hollyhill. Beziehungsweise tauchte sie die Häuser mit ihren letzten Strahlen des Tages in ein rosafarbenes Licht. Emily ließ den Vorhang zurückgleiten. Sie fragte sich gerade, ob es Methode hatte, dass um das Dorf herum schwarze Wolken tobten und nur dieser kleine Straßenzug in der Mitte des Nirgendwo davon verschont blieb, als es an ihre Zimmertür klopfte.
»Sofort«, rief sie und lief ins Badezimmer, wo sie sich das Handtuch vom Kopf riss und schnell mit der Bürste durch ihre Haare fuhr. Sie hatte sich bereits frische – heißt trockene – Jeans und einen warmen Pullover angezogen und lief nun ins Zimmer zurück, um nach ein paar neuen Strümpfen zu suchen.
Es
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