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Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Titel: Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Pilz
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deiner Mutter zu informieren – du wusstest ja nicht mal von ihr.« Sie klopfte auf Emilys Rücken, als habe die sich verschluckt. »Ich denke, sie hat es gespürt, als sie dich sah. Seit deine Mutter fortgegangen ist …«, sie hielt inne, immer noch Emilys Rücken tätschelnd. »Das alles ist komplizierter, als man sich vorstellen kann.«
    Sie lockerte ihren Griff, und Emily wand sich aus der Umarmung. Sie sah Silly forschend an.
    »Hat sie dir je erzählt, was damals zwischen ihr und meiner Mutter vorgefallen ist? Ich meine, das alles war lange vor deiner Zeit.«
    Silly zuckte mit den Schultern. »Jeder im Dorf weiß, was damals vorgefallen ist.« Sie warf Emily einen mitfühlenden Blick zu. »Bei einem … Aufenthalt in Exeter hat deine Mutter deinen Vater kennengelernt. Richard, glaube ich, richtig?«
    Emily nickte. »Was für ein Aufenthalt?«, fragte sie stirnrunzelnd.
    »Ach, ich weiß gar nicht mehr.« Silly machte eine wegwerfende Handbewegung. Auf Emily wirkte sie nervös. »Ein Job vielleicht? Jedenfalls, das eigentlich Schlimme war: Sie ist gar nicht erst nach Hollyhill zurückgekehrt.« Sie sah Emily an und machte eine kunstvolle Pause, bevor sie fortfuhr: »Sie ist einfach mit ihm durchgebrannt.«
    Emily schwieg. Was sollte sie sagen? Dass sie zu wenig Zeit mit ihrer Mutter verbringen durfte, um sie zu verstehen? Dass sie selbst niemals einfach fortgehen und ihre Großmutter alleinlassen würde, ohne sie je wiederzusehen? Dass sie sich nicht vorstellen konnte, für einen Mann alles aufzugeben und nie mehr zurückzuschauen? Für einen Mann, den sie noch dazu gerade erst kennengelernt hatte? Sollte sie sagen, dass sie keine Ahnung hatte, wer ihre Mutter eigentlich war?
    Sie fühlte Sillys Blick auf sich ruhen und räusperte sich. Sie mochte dieses Mädchen, so verschroben es auch war.
    »Oh!« Emily schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. Apropos verschroben. »Kann ich mal telefonieren? Ich muss dringend meine Oma und meine Freundin Fee anrufen.«
    Wie sich herausstellte, gab es in diesem Haus kein Telefon, weder einen Festnetzanschluss noch in Form eines Handys. Emily fragte sich, wann sie das letzte Mal von einem Menschen gehört hatte, der telefonisch nicht erreichbar gewesen wäre. Ganz offensichtlich liefen in diesem seltsamen Dorf manche Dinge anders als anderswo. Laut Silly verfügte lediglich der Pfarrer über ein »Gerät«, wie sie das nannte, und während sie loslief, um es zu holen, schlüpfte Emily aus ihrem Zimmer, um im Salon des »Crooked Chimney« auf Silly zu warten.
    Die langen Schatten der einsetzenden Abenddämmerung hüllten den größten Teil des Raums bereits in Zwielicht. Emily durchquerte in schnellen Schritten das Zimmer, griff nach dem größten der gerahmten Fotos auf dem Kaminsims und stellte sich damit ans Fenster. Das Bild zeigte ihre Mutter, wie sie Rose von hinten umarmte; das Kinn auf die Schulter der alten Dame gelegt, ein liebevolles Lächeln auf den Lippen. Rose hielt den Kopf geneigt und mit ihren Händen die schmalen Finger ihrer Tochter umklammert.
    Als Rose ihr das Bild vorhin gezeigt hatte, während ihres kurzen und merkwürdigen Ich-bin-deine-Enkelin-und-du-musst-meine-Großmutter-sein-Gesprächs, hatten sich ihre Augen mit Tränen gefüllt, sie hatte sich entschuldigt und war aus dem Zimmer geflohen. Emily konnte verstehen, warum. Das Foto drückte so viel Zärtlichkeit und Liebe aus, dass es auch ihr schwerfiel, nachzuvollziehen, wie es zu dem schlimmen Bruch zwischen diesen beiden Frauen hatte kommen können. So wie es aussah, hatte ihre Mutter Rose sehr verletzt, und zwar für einen Mann, den sie kaum kannte. Wie hatte sie es fertiggebracht, ihre Familie so vor den Kopf zu stoßen? Und wieso hatte ihr Fortgehen überhaupt so endgültig sein müssen? Wenn Emily recht verstand, hatten die beiden sich nicht mehr gesehen, seit ihre Mutter vor gut dreißig Jahren das Dorf verlassen hatte.
    Nachdenklich betrachtete Emily das Bild. Irgendetwas nagte an ihr, doch so sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte den Gedanken nicht fassen. Das Foto … etwas an dem Foto war seltsam. Sie legte den Kopf ein wenig schief und kniff die Augen zusammen. Wenn sie nur wüsste, was mit diesem Bild nicht stimmte.
    »Hey!«
    Erschrocken zuckte Emily zusammen und drehte sich um zur Tür, das Bild an ihre Brust gepresst. Im Rahmen stand Matt, die eine Hand am Türgriff, in der anderen einen ziemlich großen, schwarzen Klotz. Unwillkürlich begann Emilys Herz schneller zu

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