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Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Titel: Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Pilz
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darüber gemacht hatte, wie es sein würde, hierherzukommen. Was sie erwartete in dem Dorf, das die Heimat ihrer Mutter gewesen war, mit den Menschen, die diese besser kannten als irgendjemand sonst. Sie hatte gehandelt, wie sie es immer tat: pragmatisch, lösungs orientiert. Entschlossen, nachdem sie ihre Zweifel überwunden hatte, und blind den Folgen gegenüber – weil sie davon überzeugt war, dass nichts sie erschütterte, dass nichts sie berührte, wenn sie es nicht zuließ.
    Sie hatte nicht damit gerechnet, auf etwas zu stoßen, das sie nicht begreifen konnte. Auf etwas, das die Person, die sie geglaubt hatte zu sein, bis in ihre Grundfesten infrage stellte.
    In den vergangenen fünf Tagen hatte sie nicht nur mehr über ihre Mutter erfahren als in den siebzehn Jahren zuvor.
    Sie hatte auch mehr über sich selbst gelernt, als ihr lieb war.
    Und mit welchem Ergebnis?
    Fügte man all das Wissen um ihre Herkunft und ihre Gabe zusammen, wo stand sie nun?
    Wer war sie?
    Und Matt.
    Sie wusste nichts über ihn.
    Wie alt war er?
    Sie dachte an das Fotoalbum und die Bilder von ihrer Mutter. Die Bilder von Matt. Die vergilbten Fotos und darauf der Junge, scheinbar unverändert.
    Wie lange sah er schon so aus?
    Wo kam er her?
    Und was, wenn dieses … dieses Abenteuer hier zu Ende ging?
    Würde sie ihn je wiedersehen?
    »Emily.« Beim Klang ihres Namens drehte sie ihren Kopf automatisch in Richtung Tür, aber es war niemand zu sehen. Also stand sie auf, um sie zu öffnen, doch schon nach zwei Schritten ließ ein anderes Geräusch sie innehalten. Es hörte sich an wie das Prasseln von Regen auf Glas, und sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da wusste sie, was es war. Sie drehte sich um, lief zum Fenster und schob die Gardine zur Seite. Unten im Hof stand Matt, die Hand voller Kies, den Blick nach oben gerichtet.
    »Hey«, rief er und grinste.
    Emily löste den Haken aus seiner Verankerung, schob den unteren Teil des knarzigen Fensters nach oben und lehnte sich hinaus.
    »Hey«, gab sie zurück. Die Luft war feucht und frisch und legte sich wie ein kühlender Umschlag auf ihre erhitzte Stirn. »Wenn du glaubst, ich verlasse das Haus prinzipiell nur durch die Fenster, dann hast du etwas völlig missverstanden«, erklärte sie ernst.
    Matts Grinsen vertiefte sich. »Mein Fehler«, räumte er ein, ließ die Steine zurück auf den Boden rieseln und klopfte sich die Hand an seiner Jeans ab. »Kommst du trotzdem runter – gerne auch auf herkömmlichem Weg? Mrs. Gordon hat uns zum Essen eingeladen.«
    »Ich dachte, du wolltest einkaufen?« Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. Die Dämmerung hatte bald alles Licht des Tages verschluckt, und seine Augen funkelten dunkel wie Saphire.
    Er hob ihr die andere Hand entgegen, an der eine weiße Plastiktüte baumelte. »Shampoo, Duschgel, Zahnbürsten«, zählte er auf. »Für mehr hat Joes Geld nicht gereicht.« Er legte den Kopf schief und wartete ein paar Sekunden. Als Emily nicht antwortete, fragte er: »Was ist? Kommst du?«
    Sie aßen nicht, wie Emily befürchtet hatte, in Mrs. Gordons privater Küche, vielmehr gehörte zu dem »Bearbreak Inn« ein geräumiger Speiseraum für die Übernachtungsgäste, mit einer winzigen Bar und einem riesigen Billardtisch, über dem Rauchschwaden waberten wie Geister. Das Publikum bestand überwiegend aus Männern. Es roch nach Zigarettenqualm und Bier.
    Emily balancierte einen Suppenteller auf ihren Knien und schwieg. Sie hatten gleich neben der Tür einen Platz gefunden, in zwei riesigen Ledersesseln und ein gutes Stück von den übrigen Besuchern entfernt.
    Sie hatte keine Lust zu reden und sie hatte keine Lust zu essen. Und für beides hatte sie keine Erklärung – sie wusste nur, dass sie Matt nicht ansehen konnte, ohne dass sich ihr Magen zusammenzog wie nach einem Dreier-Looping.
    Du magst ihn, flüsterte eine Stimme in ihr.
    Wie könnte ich? , wisperte Emily zurück.
    War er denn wirklich immer ehrlich zu ihr gewesen? Er hatte keinerlei Skrupel, sich als ein anderer auszugeben als der, der er war. Er überlegte nicht einmal, bevor er in ein Haus einbrach. Oder sich fremdes Eigentum auslieh . Er war so perfekt darin, andere zu täuschen, sogar seine Freunde, Menschen wie Silly und Joe – wieso sollte er ausgerechnet ihr gegenüber aufrichtig sein?
    Er hielt sie auf Distanz. Zu sich, zu seiner Welt. Vielleicht war sie ihm in diesem Augenblick nicht mehr ganz so verhasst wie zu Beginn ihrer gemeinsamen Zeit, das än-derte

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