Zurück von den Toten - Dark Village ; 4
zurückgekommenâ, sagte Benedicte.
Sie spürte den fieberhaften Drang, ihn zu verteidigen, als ob es eine Rolle spielte, was sie und Nora meinten. âDie ganze Sache mit Wolff stimmt einfach nicht. Nick ist zurückgekommen. Warum hätte er das tun sollen, wenn er auf der Flucht ist?â
âWegen ⦠wegen mir, vielleichtâ, sagte Nora.
âWegen dir?â
âJaâ, sagte Nora. Und sie klang beleidigt. âUm mich zu sehen. Ist das so verwunderlich? Er ist doch bei
mir
zu Hause aufgetaucht.â
âJa, klar. Schon gut, ich verstehe, was du meinst. Ich dachte nur ⦠Nein, ich glaube einfach nicht, dass er Wolff umgebracht hat. Das glaube ich einfach nicht.â
âEr hat auch Trine nicht getötetâ, sagte Nora.
âNein.â
âDann ist er völlig unschuldigâ, sagte Nora. âDas mit der Viksveen, das war doch keine Absicht.â
âJaâ, flüsterte Benedicte. âDann ist er unschuldig.â
Nach dem Telefonat blieb sie eine Weile reglos sitzen. Sie war in ihrem Zimmer, obwohl sie allein zu Hause war. Sie hatte keine Lust, sich unten aufzuhalten. Nicht jetzt. Sie wollte ihre eigenen Sachen um sich haben, nur ihre. Sie hatte keine Lust, auch nur an ihren Vater und ihre Mutter erinnert zu werden.
Am Vorabend war ihr Vater spät nach Hause gekommen. Lange nachdem sie von der Party zurück war. Er hatte garantiert Vildes Mama gevögelt. Vielleicht im Büro oder irgendwo im Hotel.
Benedicte legte das Handy auf den Schreibtisch und ging zum Kleiderschrank. Sie öffnete die Schiebetür. Dann beugte sie sich zwischen die Kleider, Blusen und die ganzen anderen Sachen, die auf Kleiderbügeln hingen, kramte ein paar alte Jeans auf dem Schrankboden zur Seite und holte darunter einen dünnen, schmalen Karton hervor. Sie setzte sich an den Schreibtisch, machte den Karton auf und zog eine weiÃe Plastiktüte heraus. Es knisterte leise, als sie hineingriff.
An den weiÃen Stellen war das Hemd ihres Vaters weich. Aber dort, wo die hellroten Flecken waren, fühlte es sich steif und hart an. Getrocknetes Blut, das tief in den Stoff eingezogen war. Unmöglich zu beseitigen.
Sie wusste, woher es kam. Es musste so sein. Und es konnte nur von jemandem stammen, der wesentlich stärker geblutet hatte als ihr Vater mit seiner kleinen Schramme an der Wange. Wie zum Beispiel Wolff. Sie hatten gesagt, dass er totgeprügelt worden war. Bei lebendigem Leib zu Brei geschlagen. Dass überall auf dem Boden und sogar an den Wänden Blut gewesen sei.
Benedicte fuhr zusammen. Sie war ganz starr vor Kälte. Bestimmt hatte sie eine Ewigkeit hier gesessen und nachgedacht, war in ihrer eigenen Welt verschwunden. Sie konnte sich an die vergangenen Minuten â oder wie lange es nun gewesen war â nicht erinnern. Aber ein Gedanke stach klar heraus: Sie glauben, Nick hat Wolff umgebracht.
Sie zerknüllte das Hemd zwischen den Händen. Hätte sie es doch bloà weggeworfen, wie sie es ihrem Vater gegenüber behauptet hatte! Aber jetzt war es noch da. Und sie musste sich entscheiden: Sollte sie etwas unternehmen oder sollte sie es bleiben lassen? Es war eine einfache, völlig logische Entscheidung, dennoch unmöglich zu treffen.
Sie hatte die Gelegenheit, einen groÃen und schrecklichen Fehler zu verhindern. Einen Justizmord. Aber dafür musste sie ihren eigenen Vater verraten.
Lucas oder Nick? Das war jetzt die Frage.
6
Eins der Mädchen sagt, Katie müsse unbedingt jemanden kennenlernen. âEr kann uns Jobs vermittelnâ, sagt sie. âJetzt, wo du hier im Haus so viel zu sagen hast, solltest du ihn treffen.â
âWen denn?â, fragt Katie.
Das Mädchen zuckt die Schultern. âDu kennst ihn noch nicht.â
âWer ist er?â
âKeine Ahnung. Aber er hat Verbindungen.â
âKein Sexâ, sagt Katie. âDa hab ich keinen Bock drauf.â
âNein, verdammt. So schlau bin ich selbstâ, sagt das Mädchen. âEs geht nicht um so was. Er ist kein Zuhälter.â
âWas hast du dann für ihn gemacht?â
âDies und das.â Erneutes Schulterzucken. âSachen ausgeliefert. Infos weitergeben. Wenn du nicht willst â¦â
âSolange es nicht um Freier geht.â
âKein Sex.â
âNa, dann.â
Es ist ein schöner, warmer Sommertag. Das Treffen findet im Ostteil von Oslo statt. Der Mann sitzt in
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