Zurückgeküsst (German Edition)
begrüßen. Ihr hochtoupiertes buttergelbes Haar stand ihr zwölf Zentimeter vom Kopf ab („Je höher das Haar, desto näher zu Gott“, sagte sie oft), ihr Make-up konnte das eines Provinztransvestiten ausstechen, und das heruntergezogene T-Shirt entblößte ihr üppiges Dekolleté. Die Vorzeigefrau meines Vaters seit nunmehr fünfzehn Jahren … fünfzehn Jahre jünger als er, blond und Texanerin. Hinter ihr war mein großer, schlanker Vater kaum zu sehen.
„Hallo, Dad.“ Mein Vater, der nur sprach, wenn man ihm eine Pistole auf die Brust setzte, nickte und kniete sich hin, um Coco zu streicheln. Sie wedelte dabei so heftig mit dem Schwanz, dassman dachte, gleich müsse ihr das Rückgrat brechen. „Hallo, Bev. Ja, ich habe mit ihr gesprochen.“ Ich hielt inne. „Was für eine Überraschung!“
„Hallo, Kimmy! Wie geht’s? Hat Harper Ihnen die frohe Nachricht schon erzählt?“
„Oh ja, das hat sie. Wie aufregend.“ Sie sah mich an und zwinkerte.
„Ich weiß!“ BeverLee gluckste. „Und dann noch in Montana! Das ist ja so romantisch! Wahrscheinlich hat Chris dort einen Sommer trainiert oder so etwas … Wie auch immer, ich kann es kaum erwarten! Welche Farbe wird dein Kleid haben, Schätzchen? Jimmy, was meinst du?“
Ich sah zu meinem Vater. Er stand auf, steckte die Hände in die Hosentaschen und nickte. Dies würde, wie ich aus Erfahrung wusste, sein einziger Beitrag zu diesem Gespräch bleiben. Dad war so schweigsam, dass man ihn oft schon im Koma wähnte. Doch BeverLee brauchte keine weitere Person, um eine Unterhaltung zu führen.
„Ich denke da an Lavendel, was meint ihr? Also für dich, Harper, nicht für mich. Ich denke, ich bestelle dieses süße orangefarbene Kleid, das ich im Internet entdeckt habe. ‚Melonorange‘ hieß die Farbe, ganz entzückend. Ihr wisst ja, wie sehr ich Orange liebe!“
„Ich muss gehen“, sagte Kim unvermittelt. „Ich glaube, nebenan ist gerade etwas zerbrochen. Wir sprechen uns, Harper. Tschüss, Mr James, Mrs James.“
„Ach Liebes, Sie müssen mich nicht Mrs James nennen, das habe ich doch schon hundertmal gesagt!“
„Tschüss, BeverLee“, erwiderte Kim freundlich. Sie kippte den Rest ihres Weins hinunter und winkte mir zu.
„Bis bald“, sagte ich und drehte mich wieder zu meiner Stiefmutter und meinem Vater um. „Also. Bevor wir die Kleider aussuchen, sollten wir vielleicht erst mal darüber reden, wie … äh, vernünftig dieser Schritt wohl ist.“
„Vernünftig? Nun hör dich nur an!“, rief BeverLee. „Jimmy, setz dich da in den Sessel. Deine Tochter will reden!“ Sie kamzu mir, zog ein paar Haarsträhnen aus meinem Pferdeschwanz und fing an, sie hochzubauschen. „Also wirklich, Harper, der Mann weiß gar nicht, was er davon halten soll! Sein kleines Mädchen heiratet den Exmann seines anderen kleinen Mädchens! Das ist einfach verrückt.“ Mit diesen Worten zog sie die Reisegröße ihres superstarken Haarlacks aus der Tasche und sprühte meinen Kopf ein.
„Schon gut, BeverLee, das reicht“, sagte ich und versuchte, nicht einzuatmen. „Wunderbar. Danke.“ Sie steckte ihre Waffe weg, und ich räusperte mich. „Also, zunächst einmal heiratet Willa nicht meinen Exmann“, sagte ich mit meiner Gerichtssaalstimme. „Nur, um das klarzustellen. Sie heiratet Christopher. Christopher ist Nicks Halbbruder. Ich war mit Nick verheiratet.“
„Ach Schätzchen, das weiß ich doch.“ BeverLee wühlte in ihrer Handtasche und zog ein Päckchen Virginia Slims hervor. „Ich war bei deiner Hochzeit anwesend, oder nicht? Ich habe mich nur versprochen, da musst du mir nicht gleich den Kopf abreißen, okay? Nur weil du Muffensausen kriegst, weil du Nick wiedersehen wirst, heißt das noch nicht, dass du …“
„Ich kriege kein Muffensausen“, murmelte ich.
„… die Hand beißen solltest, die dich füttert. Das ist ein glücklicher Tag, hörst du?“ Die Königin der Katachresen nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch aus dem Mundwinkel wieder aus.
„Du fütterst mich nicht.“
„Würde ich aber gern. Du siehst ganz schön verhungert aus. Jedenfalls liebt Willard Violett, also wäre Lavendel die richtige Farbe, mein Schatz. Du willst Willard doch glücklich machen, oder?“
Ich öffnete den Mund … und schloss ihn wieder. Wenn ich einen schwachen Punkt hatte, dann war es Willa. Oder genauer: Willard Krystal Lupinski James.
Im Sommer, nachdem meine Mutter uns verlassen hatte, war mein Vater auf einen zweiwöchigen Kongress über
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