Zurückgeküsst (German Edition)
einen Kuss auf den braun-weißen Kopf und hielt sie ein oder zwei Minuten lang ganz fest.
Als Pops noch gelebt hatte, war dieses Haus ein typisches Standardgebäude gewesen. Drei kleine Schlafzimmer, ein großes und ein kleines Bad, Wohnzimmer, Küche. Er starb während meines Jurastudiums und vererbte das Haus mir, seinem einzigen Enkelkind (also, seinem einzigen biologischen Enkelkind … Willa hatte er auch sehr gern gemocht, aber ich war nun mal sein spezieller Liebling gewesen). Was auch immer ich als Scheidungsanwältin verdiente – diesen Blick hätte ich niemals mit eigenem Geld bezahlen können. Dank Pops durfte ich ihn genießen. Ich hätte das Haus locker für mehrere Millionen Dollar an einen Immobilienentwickler verkaufen können, der es abgerissen und dort in null Komma nichts ein Ferienhaus hingeklatscht hätte. Aber das hatte ich nicht getan. Stattdessen hatte ich meinen Vater, einen Bauunternehmer, beauftragt, es zu renovieren.
Wir rissen also ein paar Wände ein, verlegten die Küche, machten aus drei Schlafzimmern zwei, bauten überall, wo es ging, Glasschiebetüren ein, und das Ergebnis war ein schmuckes kleines, luftiges Heim – gekauft durch die harte, schweißtreibende Arbeit meines Seemannsgroßvaters, renoviert durch die Hände meines Vaters, finanziert durch mein Gehalt als Anwältin. Eines Tages, so stellte ich mir vor, würde ich ein zweites Stockwerk anbauen lassen, um meine zukünftigen hübschen und wohlerzogenen Kinder unterzubringen, aber so, wie es war, reichte es für Coco und mich mit Dennis als regelmäßigem Gast aus. Sandfarbene Wände, weiße Decken, wenigeweiße Möbel, hin und wieder ein Farbtupfer – ein grüner Ruderriemen von einem Flohmarkt in Tisbury lehnte geschmackvoll in einer Ecke, ein weicher blauer Sessel stand vor dem Fenster zum Meer. An den Schiebetüren, die zur Terrasse hinausführten, hing ein orangefarbener Rettungsring mit abblätternden Buchstaben, die Pops Schiff und Heimathafen angaben: Pegasus, Chilmark.
Ich dachte an die Neuigkeiten meiner Schwester und seufzte.
Ich heirate tatsächlich den Bruder deines Exmannes!
Vermaledeiter Freitag!
Zeit für etwas Vino-Therapie. Ich setzte Coco ab, holte eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank und schenkte mir ein Glas gut voll, oh ja! Ich trank die Hälfte in einem Zug, schnappte mir eine Tüte Balsamico-Kartoffelchips, nahm die Flasche und das Glas und ging auf die Terrasse hinaus, während Coco auf ihren kleinen süßen Beinchen neben mir hertrottete.
Meine Schwester heiratete also Christopher Lowery, einen Mann, den ich zuletzt auf meiner eigenen Hochzeit dreizehn Jahre zuvor gesehen hatte. Wie alt war er da gewesen? Sechzehn? Achtzehn?
Ich trank einen kleinen Schluck, genüsslicher diesmal, und zwang mich, die salzige, feuchte Luft tief einzuatmen, die nach Tang und Fischen duftete (oh ja, ich bin hier geboren). Ich lauschte dem Klang des unablässigen Inselwindes, der mein Haus an diesem Abend von zwei Seiten umwehte, sodass ich Fetzen von Musik und Gelächter von anderen Orten hörte. Beruhige dich, Harper, ermahnte ich mich. Krieg bloß keine Panik. Zumindest jetzt noch nicht.
„Ich hole mir auch ein Glas“, ertönte da plötzlich eine Stimme. Kim, meine Nachbarin und beste Freundin. „Und dann will ich alles haarklein hören.“
„Na klar“, sagte ich. „Wer kümmert sich um die Kinder?“
„Ihr missratener Vater.“
Wie aufs Stichwort brüllte Lou in diesem Moment aus dem Nachbarhaus durch die relative Stille zu uns herüber: „Schatz, wo ist denn die Schachtel mit den Höschenwindeln?“
„Such sie doch, verdammt noch mal! Das sind auch deine Kinder!“, brüllte Kim zurück.
Es folgte das Kreischen und Jaulen eines von Kims vier Söhnen. Ich unterdrückte ein Schaudern. Unsere Häuser standen nur wenige Meter voneinander entfernt, aber glücklicherweise ein Stück versetzt, sodass ich nicht alle Facetten ihren Eheglücks belauschen musste.
„Das Haus ist ein Saustall!“, brüllte Lou.
„Dann räum auf!“, konterte seine Gattin.
„Wie bewahrt ihr euch eigentlich den Zauber eurer Ehe?“, erkundigte ich mich und nippte an meinem Glas. Kim lächelte und ließ sich in den Sessel neben mir fallen.
„Du wirst es nicht glauben, aber letzte Nacht haben wir es getrieben wie die Affen“, antwortete sie und schenkte sich Wein ein.
„Und wie treiben es Affen?“, wollte ich wissen und hob eine Augenbraue.
„Schnell und wild“, meinte sie lachend und stieß mit mir an. Kim
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