Zurückgeküsst (German Edition)
und Lou waren glücklich verheiratet. Sie waren nicht gerade meine Vorbilder, aber dennoch ermutigend. Kurz nach ihrem Einzug ein paar Jahre zuvor hatte Kim plötzlich mit einer Schachtel Donuts und einer Flasche Wein vor meiner Tür gestanden und mir ihre Freundschaft angeboten. So was gefiel mir.
„Mommy!“, rief einer der Zwillinge.
„Ich bin beschäftigt!“, rief sie zurück. „Frag deinen Vater! Also ehrlich, Harper, es ist ein Wunder, dass ich die vier noch nicht in die Sklaverei verkauft habe.“ Kim gab oft vor, mich um meinen Singlestatus und meinen Job zu beneiden, aber in Wahrheit beneidete ich sie. Zumindest in mancher Hinsicht. Sie und Lou waren treu, beständig und liebevoll und fühlten sich mit ihrem derben und scherzhaft nörgelnden Umgangston wohl und geborgen. (Sehen Sie? Ich habe absolut nichts gegen die Ehe, wenn sie richtig läuft.) Griffin, ihr ältester Sohn, war sieben, hatte aber die Seele eines Sechzigjährigen. Hin und wieder kam er zu mir herüber, um Scrabble zu spielen oder um Coco zu streicheln. Ich mochte ihn gern – lieber als die vierjährigen ZwillingeGus und Harry, die überall Chaos und Dreck verbreiteten. Der zweijährige Desmond hatte mich in der vergangenen Woche gebissen, wenige Sekunden später jedoch sein feuchtes, pausbäckiges Gesicht gegen mein Knie gedrückt, was sich seltsam nett angefühlt hatte, deshalb war das Urteil über ihn noch nicht endgültig gefällt.
„Und? Bist du jetzt verlobt?“, wollte Kim wissen. „Sag’s bitte gleich, damit ich mit meiner Diät anfangen kann. So, wie ich jetzt aussehe, will ich bestimmt keine Brautjungfer sein.“
„Ich bin nicht verlobt“, erwiderte ich ruhig.
„Heiliger Scheiterhaufen!“ Kim, die versuchte, in Gegenwart ihrer Kinder nicht zu fluchen, hatte eine ganz eigene Art von Kraftausdrücken erfunden, die ich gelegentlich imitierte. „Er hat dir einen Korb gegeben?“
„Na ja, nicht wirklich. Meine Schwester rief an, während ich mit ihm gesprochen habe, und – rate mal! – sie wird heiraten!“
„Schon wieder?“
„Genau. Aber es kommt noch besser. Sie hat ihn vor einem Monat erst kennengelernt, und …“ Ich hielt inne und trank noch einen Schluck Wein. „… er ist mein ehemaliger Schwager, der Bruder meines Exmannes. Halbbruder, um genau zu sein.“
Kim verschluckte sich und hustete. „Du hast einen Exmann, Harper? Wieso wusste ich nichts davon?“
Betreten sah ich sie an. „Ich schätze, es hat sich nie ergeben, dass ich es erwähne. Es ist lange her, eine Jugendsünde und so weiter, bla, bla, bla.“ Ich fragte mich, ob sie mir das wohl abkaufte. Wir versuchten, die Schreie aus dem Nachbarhaus nicht weiter zu beachten, allerdings sprang Coco, ganz Chihuahua, auf meinen Schoß und zitterte. Ein Kartoffelchip kurierte ihre Angst sofort.
„So, so“, meinte Kim, als ich nichts weiter sagte.
„Ja.“
„Dann ist Willa … deinem Exschwager also einfach über den Weg gelaufen?“, erkundigte sie sich. „Sicher, die Welt ist klein, aber … komm schon. In New York City?“
Darüber hatte ich noch gar nicht weiter nachgedacht, da michdie Erwähnung … seines Namens … bereits zu sehr schockiert hatte. Nach all den Jahren, die ich nicht an ihn gedacht hatte, blinkte sein Name nun vor meinem geistigen Auge auf. Ich zuckte mit den Schultern, nahm noch einen Schluck Wein und lehnte meinen Kopf gegen den Sessel. Der Himmel war jetzt lavendelfarben mit einem dünnen Streifen matten Rots am Horizont, wo die Sonne verschwunden war. Die Touristen, die den Sonnenuntergang am Meer beobachtet hatten, stiegen wieder in ihre Autos und fuhren für einen abendlichen Drink nach Oak Bluffs oder Edgartown. In Chilmark wurde – wie in den vier anderen Orten auf Martha’s Vineyard – kein Alkohol ausgeschenkt. Ah, Neu-England!
„Dann wirst du ihn also wiedersehen, deinen Ex, oder? Wie heißt er?“
„Wenn sie das tatsächlich durchziehen, werde ich ihn wohl sehen, ja. Die Hochzeit soll in zwei Wochen stattfinden. In Montana.“ Ich nahm einen weiteren Schluck. „Er heißt Nick.“ Es fühlte sich eigenartig an, den Namen auszusprechen. „Nick Lowery.“
„Huhu! Harper-Schätzchen! Wo bist du? Hast du mit deiner Schwester gesprochen? Das ist ja so aufregend! Und so romantisch! Ich hab mir fast ins Höschen gepinkelt, als sie es mir erzählte!“
Meine Stiefmutter kam ins Haus gestürmt – sie klopfte niemals an. „Wir sind hier draußen, BeverLee“, rief ich und stand auf, um sie zu
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