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Zurückgeküsst (German Edition)

Zurückgeküsst (German Edition)

Titel: Zurückgeküsst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristan Higgins
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weinte.
    „Möchtest du Eiscreme?“, fragte ich also, und ohne eine Antwort abzuwarten, hob ich sie hoch – sie war klein und knochig wie ein unterernährtes Küken, und ihr kurzes blondes Haar stand in alle Richtungen ab wie Federn. Ich trug sie in die Küche, setzte sie an den Tisch und holte zwei Becher Eis aus dem Gefrierschrank. „Ich glaube, ich werde dich Willa nennen“, sagte ich und gab ihr einen Löffel. „Wo du doch so hübsch bist, solltest du einen Mädchennamen haben, findest du nicht?“
    Sie sagte nichts. Aß auch kein Eis.
    „Willa? Ist das in Ordnung?“
    „Es tut mir leid“, flüsterte sie, die Augen auf den Tisch gerichtet, und ich spürte eine heiße Welle aus Scham und Reue, aus Sehnsucht, Trauer und Hölle, alles zusammen.
    Ich schluckte schwer, schob die schrecklichen Gefühle beiseite und löffelte mein Eis. „Klingt gut, findest du nicht? Willa und Harper. Willa Cather und Harper Lee sind zwei tolle amerikanische Schriftstellerinnen, wusstest du das?“
    Natürlich wusste sie das nicht. Ich selbst hatte es erst in jenem Sommer gelernt, in dem ich jede freie Minute in der kleinen Bücherei verbracht hatte, um die grässliche Leere zu füllen, die meine Mutter hinterlassen hatte. Den ganzen Sommer über hatte ich mich vor den mitleidigen Blicken des überfreundlichen Personals zwischen den Regalen versteckt, darum gebetet, unsichtbar zu sein, und war in die Welt der Bücher eingetaucht. Und obwohl ich kaum vier Sätze mit BeverLee gewechselt hatte, ahnte ich (zu Recht, wie sich herausstellte), dass ihre intellektuell stimulierendste Literatur aus der Glamour-Wochenzeitschrift Us Weekly bestand.
    „Ich finde, das klingt gut. Willa und Harper, Harper undWilla.“ Ich schwieg kurz. „Ich schätze, wir sind jetzt Schwestern.“
    Da sah sie mich zum ersten Mal an. In ihren Augen schimmerte Hoffnung. Und von da an liebte ich sie, einfach so. Und kümmerte mich um sie.
    Ich schüttelte die Erinnerung ab. BeverLee redete davon, wann sie nach Montana fliegen würden, welche Aussteuer sie innerhalb dieser kurzen Zeit für ihr Schätzelchen zusammenstellen konnte, und Dad starrte auf die Schiffe im Hafen.
    Ich räusperte mich. „Macht sich denn sonst keiner Sorgen darüber, dass Willa jetzt zum dritten Mal heiratet?“
    „Tja, also, dein Vater ist auch mein dritter Mann, oder etwa nicht, mein Bärchen? Ich schätze also mal, dass daran nichts verkehrt sein kann. Aller guten Dinge sind drei!“
    „Sie hat den Mann gerade erst kennengelernt“, erinnerte ich sie.
    „Na ja, sie haben sich doch auch auf deiner Hochzeit gesehen.“
    „Ja, etwa sechs Stunden“, bemerkte ich.
    „Und Christopher muss ein guter Mann sein, wenn er Nicks Bruder ist.“ Ich unterdrückte den stechenden Schmerz, den diese Bemerkung in mir hervorrief. Mein unreifes Ich hätte am liebsten gehört: Wenn er mit deinem dämlichen Exmann verwandt ist, Harper, dann muss er ein richtiges Arschloch sein!
    Aber nein, BeverLee machte ungebremst weiter. „Christopher hörte sich am Telefon sehr nett an! Er hat wirklich gute Manieren, und ich finde, das sagt etwas über einen Mann aus. Meinst du nicht auch, Jimmy-Bärchen?“
    Mein Vater antwortete nicht.
    „Dad? Hast du irgendwas dazu zu sagen?“
    Er sah mich an. „Willa ist erwachsen, Harper. Sie ist fast dreißig.“
    „Sie hat bisher einen Verbrecher und einen Schwulen geheiratet. Vielleicht sollte man in Erwägung ziehen, dass sie, was das Einschätzen von Männern angeht, nicht unbedingt ein Genie ist“, gab ich ruhig und freundlich zurück.
    „Ach Harper, was redest du da? Glaubst du denn nicht an die wahre Liebe?“
    „Äh, nein … nicht in dem Sinn, wie du es meinst, BeverLee.“
    „Mein armes Kind, du machst mir nichts vor. Ich wette, dein guter alter Dennis hat zum Thema wahre Liebe auch etwas zu sagen. Du weichst doch nur aus. Ich glaube, insgeheim bist auch du eine große Romantikerin. Du tust nur so zynisch wegen deiner Arbeit. Lavendel ist dann also in Ordnung? Und natürlich mache ich dein Haar. Du weißt, wie sehr ich das liebe.“
    Es hatte wirklich keinen Sinn, mit BeverLee zu diskutieren. Oder mit Dad, der bekanntermaßen nie eine eigene Meinung vertrat. „Ja, Lavendel passt wunderbar.“ Ich seufzte. Hoffentlich würde Willa bis dahin Vernunft annehmen.
    „Sollen wir alle zusammen reisen? Willard und Christopher fliegen Mittwoch in einer Woche, und dein Daddy und ich wollen auch so früh wie möglich vor Ort sein. Er kann es kaum erwarten, seine

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