Zurückgeküsst (German Edition)
zu blinzeln, duschten wir, zogen uns an und gingen mit ihr nach draußen. In der Nähe fanden wir einen kleinen Park, setzten uns unter einen Baum, hielten Händchen und warfen abwechselnd Cocos zernagten Tennisball über die Wiese.
Ich hatte keine Angst, meiner Mutter zu begegnen. Aus irgendeinem Grund war ich sicher, das würde nicht geschehen. Außerdem versuchte ich, mich voll und ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, auf diesen Moment. Die Zukunft war ungewiss, die Vergangenheit ein emotionaler Morast, aber die Gegenwart war wundervoll.
„Harper. Wegen Dennis …“, begann Nick ernst.
„Dennis und ich haben uns vor der Abreise aus dem Glacier-Park getrennt.“
„Was? Warum hast du nichts …? Egal. Du hast Schluss gemacht, oder? Warum?“
Ich sah Nick kurz an und schleuderte dann zum hundertsiebzehnten Mal den Ball für Coco weg. „Tja, um ehrlich zu sein… Ich wollte heiraten, er aber nicht.“
Nick zog eine Augenbraue hoch. „Wirklich? Den Typen wolltest du heiraten?“
„Jetzt nicht mehr“, entgegnete ich. Der Gedanke an Dennis verursachte mir immer noch Schuldgefühle – vor allem diese Liste, mein doch eher liebloser Heiratsantrag. Ich war fast überrascht, dass ich keine Tabelle mit dem Pro und Kontra unserer Beziehung erstellt hatte oder eine mathematische Formel für unser Erfolgspotenzial.
„Bist du sicher, dass das abgeschlossen ist?“, hakte Nick nach.
Ich küsste seinen Handrücken. „Ja.“
„Wirklich?“
„Frage wahrheitsgemäß beantwortet, Euer Ehren. Können wir fortfahren, oder braucht Ihr eine eidesstattliche Versicherung, dass ich mich für Euch entschieden habe? Für den Moment zumindest. Wenn Ihr Eure Karten richtig ausspielt …“
Nick schmunzelte. „Oh Herr, warum nehme ich das nur auf mich? Komm jetzt, ich bin am Verhungern. Gehen wir was essen.“
Wir fanden ein kleines Restaurant, in dem Hunde erlaubt waren, bestellten und füßelten während des Essens unter dem Tisch wie die Teenager. Wir unterhielten uns über Chris und Willa, kamen dann aber schnell auf andere Themen zu sprechen … Plätze, an denen wir gewesen waren, Orte, die wir noch sehen wollten. Da ich wusste, dass Nick alle Arten von Gebäuden liebte, beschrieb ich ihm das alte Gerichtsgebäude auf Martha’s Vineyard in seinem typischen neuenglischen Stil, der hübschen blauen Zimmerdecke, den Bankreihen, dem geschwungenen Treppenaufgang und den Porträts streng dreinblickender Richter. Nick erzählte von dem Gebäude, das er für die Drachen GmbH bauen wollte, eine deutsche Investmentfirma.
„Es wäre unser bislang größtes Projekt“, erklärte er stolz. „Sie wollen es direkt an der Volme bauen lassen, und wir würden Wasserkraft einsetzen. Und Glas natürlich. Es wäre ja auch zu schade, direkt am Wasser zu sitzen und es dann nicht zu sehen.“ Ich lächelte und lauschte seiner schnellen New Yorker Sprechweise, beobachtete, wie er beim Erzählen wild mit den Händen gestikulierte. „Jedenfalls stehen wir in Konkurrenz zu Foster, und die hauen immer total auf den Putz. Aber eigentlich ist das Projekt für sie zu klein, also kann man nie wissen.“
„Bau was für mich“, sagte ich. „Jetzt gleich, Mister.“
Überrascht sah er mich an, zog dann meinen Teller zu sich – das Restaurant hatte mich mit ausreichend Pommes frites für einen ganzen Monat versorgt – und machte sich ans Werk. Er schnitt einige der Pommes frites zurecht, durchstach ein Salatblattmit einem Zahnstocher und schnitzte an der übrig gebliebenen Brötchenhälfte herum. Hin und wieder sah er mich eine Weile an, als wollte er meine Bedürfnisse als Klientin abschätzen, aber ich sagte nichts und beobachtete nur seine geschickten Hände. Selbst bei so albernen Dingen wie dem hier wirkte er … brillant, wie er konzentriert und zielstrebig aus einer sauren Gurke eine Tür schnitzte.
„Bitte sehr“, sagte er schließlich. „Dein neues Heim. Alles in Ökobauweise natürlich.“
Und da stand es, ein erstaunlich detailliert gearbeitetes Haus aus Pommes frites mit Vorbau, Schindeln, Fenstern und einer kleinen Brücke, die zur Eingangstür führte.
„Welch ein Talent!“, sagte ich, und er grinste.
„Es ist allerdings ein bisschen klein“, wandte er dann ein. „Wir werden anbauen müssen, wenn die Drillinge geboren sind.“
Ich bekam ein flaues Gefühl in der Magengegend. Nick, das wusste ich aus Erfahrung, sagte nie etwas ohne Bedeutung. Schließlich war das der Kerl, der mich „Ehefrau“ genannt
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