Zurückgeküsst (German Edition)
Gegend?“, fragte ich und erinnerte mich vage an das unnatürlich glatte und ausdruckslose Gesicht von Lila Cruise Lowery, die ich zweimal getroffen hatte.
„Sie kann nicht“, gab Nick zurück. „Sie sagte damals, es würde ihr zu sehr wehtun, ihn so zu sehen, also konnte sie sich nicht weiter um ihn kümmern. Vor ein paar Jahren ist sie nach North Carolina gezogen. Außerdem ist sie im Moment auf Kreuzfahrt bei den griechischen Inseln.“
Ach ja, deswegen hatte sie ja auch nicht zur Hochzeit kommenkönnen. „Wo wohnt Jason? Ist er näher dran?“
„Jason lebt in Philadelphia, geht aber im Moment nirgends ans Telefon.“ Coco, die spürte, dass Nick Trost brauchte, leckte sein Handgelenk. Nick musste widerstrebend lächeln und streichelte ihr den Kopf, was sie als Aufforderung ansah, auf seinen Schoß zu springen.
„Sie werden ihn schon finden, Nick“, beteuerte ich und nahm seine Hand.
„Das tut mir jetzt wirklich sehr leid“, sagte er wieder.
„Bis wir am Flughafen sind, rufen sie dich bestimmt schon an, dass er wieder wohlbehalten zurück ist“, versuchte ich zu trösten.
Doch das war nicht der Fall. Immerhin hatte Nicks Reisebüro uns einen Direktflug nach New York reservieren können. Coco war gar nicht begeistert, in ihre Reisebox krabbeln zu müssen, und sah mich vorwurfsvoll an, bevor sie sich seufzend um ihren Hasen zusammenrollte.
Das Schlimmste bei einem Notfall ist, nichts tun zu können. Als das Flugzeug schließlich abhob, wurde Nick immer angespannter. Wir hielten uns an den Händen, sprachen aber kaum, während die Minuten sich schier endlos auszudehnen schienen. Sobald der Flieger gelandet war, schaltete Nick das Handy wieder ein. Sein Vater war immer noch nicht aufgetaucht.
Im Terminal des JFK war ich überwältigt vom ohrenbetäubenden Lärm. Ich hatte vergessen, wie laut diese Stadt mit den verschiedenen Sprachen, den Farben, den vielen Menschen, die in alle Richtungen eilten, war. Nach einer Woche Autofahrt auf fast leeren Straßen im wunderschönen weiten Nirgendwo, war es ein Schock. Nick jedoch verfiel sofort wieder in seinen rasanten New-York-Modus. Wir holten Coco und unsere Koffer und gelangten nach einer gefühlten Ewigkeit endlich nach draußen, wo uns die Hitze, der Lärm und der Kerosingestank in New York begrüßten wie ein Schlag vor den Kopf.
Ein Mann vom Fahrdienst erwartete uns. Nick begrüßte ihn mit Namen und half, unser Gepäck im Kofferraum zu verstauen. Dann fuhren wir Richtung Manhattan, das für kurze Zeit meineHeimat gewesen war. Die Skyline glitzerte im Sonnenlicht.
Der arme Mr Lowery! Er mochte früher ein unsympathischer Lüstling gewesen sein, aber jetzt war er ein verwirrter alter Mann, der allein den Gefahren der Stadt ausgesetzt war. Coco schien Ähnliches von New York zu denken … sie winselte und zitterte, obwohl das vermutlich von den über uns hinwegdröhnenden Flugzeugen und den Autos um uns herum herrührte. Der Fahrer lenkte den Wagen geschickt auf die Queensborough Bridge, ohne das Hupen der anderen zu beachten.
„Wie lautet der Plan, Nick?“, wollte ich wissen. Er starrte mit zusammengekniffenen Lippen und aufmerksamem Blick aus dem Fenster.
„Der zuständige Polizist wartet am Pflegeheim auf uns“, erklärte er, „und wird alles genau erzählen. Wie mein Vater da einfach rausgehen konnte …“ Er schüttelte den Kopf und sagte nichts weiter.
Coco saß nun ruhig auf meinem Schoß und zitterte nur noch gelegentlich, während wie die Park Avenue hinauffuhren. Es war eine ziemlich noble Gegend; einmal hatte ich hier als einsame Frischverheiratete einen Nachmittag verbracht und versucht, mich in diese Stadt zu verlieben, die so sehr zu Nick gehörte … Ich schob die Erinnerung beiseite und starrte aus dem Fenster, wo ich wider Erwarten Nicks Dad zu entdecken hoffte.
Als wir vor dem Roosevelt Center an der Ecke der fünfundsechzigsten Straße anhielten, war es halb vier, ein Wunder an Zeitmanagement seitens Nicks Reisebüro und des Fahrers. Nicks Vater wurde immer noch vermisst. Ein Kriminalbeamter und die Direktorin des Heims, eine verständlicherweise sehr besorgte Frau namens Alicia, begrüßte uns und führte uns in eine Art Wohnzimmer.
„Mr Lowery“, wandte sie sich an Nick. „Ich muss mich tausendfach bei Ihnen entschuldigen. Offenbar hat einer unserer neuen Pfleger unwissentlich den Alarm der Eingangstür ausgeschaltet und …“
„Um das Wie und Warum werden wir uns später kümmern“, erwiderte Nick streng.
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