Zurückgeküsst (German Edition)
es doch nicht das Richtige für sie wäre.
In der Vergangenheit hatte ich jede Chance genutzt, mich um Willa zu kümmern, sie zu führen und zu beschützen. Aber vielleicht … vielleicht brauchte sie endlich den Stoß ins kalte Wasser, wo sie allein zurechtkommen musste. Wieso hatte ich das nicht schon früher erkannt? Indem ich ihr ständig half, kam ich mir natürlich nobel und beschützend vor, aber vielleicht war das … autsch … auch sehr egoistisch von mir gewesen. Schließlich konnte ich nicht ewig die große Schwester sein, wenn Willa selbst erwachsen werden musste.
Ein weiteres Auto fuhr in meine Auffahrt, wieder ein Leihwagen. Oh Gott! Das waren Dennis’ Eltern, beide in weißen Shorts und Polohemden, wie Rentnerzwillinge. Was wollten die denn hier? Es war noch nicht mal neun Uhr, ihr Sohn schlief noch … und ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihm zu reden. Okay, ich hatte es vor mir hergeschoben. Krampfhaft unterdrückte ich den Impuls, mich unter dem Tisch zu verstecken, und öffnete die Tür.
„Hallo!“, sagte ich. „Wie geht es euch? Waren wir … verabredet?“
„Oh, sind das Muffins?“, fragte Jack, küsste mich auf dieWange und drängte sich an mir vorbei in die Küche. „Mit Blaubeeren, hoffe ich?“
„Ja. Hört mal, Dennis ist noch gar nicht wach.“
„Guten Morgen, Harper-Schätzchen!“, grüßte Sarah mich fröhlich und folgte ihrem Mann ins Haus. „Wir wollten dir beim Aufräumen helfen, aber sieh mal an, das ist ja alles schon erledigt! Oh, du wirst Dennis guttun, der Kerl ist, weiß Gott, ein Schlamper. Nachdem er sich durch mein ständiges Nörgeln nicht geändert hat, hoffe ich, er wird es durch dich tun!“ Sie lachte und nahm mich in den Arm. „Und schau mal, was ich hier habe!“ Stolz hielt sie eine große Basttasche hoch und zog etliche dicke Zeitschriften heraus. „Ratgeber für die Hochzeit!“
Oh Gott, lass mich im Erdboden versinken! „Ach, weißt du, das ist jetzt vielleicht nicht gerade der richtige Zeitpunkt … Äh, Dennis hatte gestern ein paar Bier zu viel, und er schläft noch. Und meine Schwester ist gerade gekommen und schläft auch …“
„Wir können ja ganz leise sein“, sagte Sarah und dämpfte die Stimme. Sie setzte sich neben Jack, der seinen ersten Muffin bereits verspeist hatte und nun den zweiten mit Butter bestrich. „Ich denke, das Erste, was wir entscheiden müssen, ist der Hochzeitstermin“, fuhr Sarah fort. „Der Juni wäre natürlich toll, aber ich liebe auch Hochzeiten im Frühjahr, da kann man viel besser einen Smoking tragen. Kannst du dir Dennis im Smoking vorstellen, Harper? Ich will ja nicht angeben, aber Jack und ich haben wirklich ein paar sehr hübsche Kinder hinbekommen! Harper, nicht an den Nägeln kauen! Wo ist denn dein Ring, Liebes?“
Ich ließ die Hand sinken. „Oh … äh … da ist er, auf der Fensterbank. Ich habe ihn beim Abwaschen abgenommen …“
„Steck ihn an, steck ihn an“, drängte Jack. „Er sieht fantastisch aus!“
Ich gehorchte und fragte mich, ob sie wussten, dass ich ihn selbst gekauft hatte. Oder dass ich „Hopp oder topp, Liebling“ gesagt hatte, als ich ihren Sohn aufgefordert hatte, sein restliches Leben mit mir zu verbringen.
„Ich dachte, wir könnten uns nachher alle zum Mittagessenim Hotel treffen“, schlug Sarah vor. „Bonnie, Kevin, die Kinder … und dann ein bisschen zusammen spazieren gehen. Wie klingt das?“
„Ach … wisst ihr“, sagte ich, „es tut mir leid, aber ich … ich muss unbedingt noch duschen, weil meine Schwester gerade gekommen ist und ich noch keine Zeit hatte …“
„Oh, ich kann es gar nicht erwarten, von ihrer Hochzeit zu hören!“, rief Sarah. „Jack, eine Hochzeit irgendwo auswärts wäre doch auch ganz toll, oder? Tja, dann geh du mal duschen, Schätzchen. Lass dir ruhig Zeit! Ich hoffe, dass unser fauler Sohnemann bald mal aufwacht und wir die Sache besprechen können.“
Ich floh aus der Küche und brach unter der Last all dieser enthusiastischen Begeisterung fast zusammen … und der Angst, wie sich Dennis und Familie wohl später am Tag fühlen würden. Es tut mir ja so leid, dachte ich, es tut mir wirklich ganz furchtbar leid.
In meinem Kopf schwirrte alles. In einem Zimmer lag mein schlafender Nichtverlobter. Im nächsten eine erschöpfte, verheulte Schwester. Im dritten saßen die fröhlichsten Eltern, die ich kannte. Das warme Duschwasser beruhigte mich etwas. Ob ich mich hier versteckte? Natürlich! Aber nur für
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