Zurückgeküsst (German Edition)
– ein Mann, der meine Hand hielt! Es war die öffentliche Bekundung romantischer Absichten, und die Jungen, mit denen ich bisher ausgegangen war – und das waren definitiv alles Jungen und keine Männer gewesen –, hatten es mehr mit dem Schulterrempeln gehabt. Aber Händchen zuhalten war, wie ich entdeckte, sehr erotisch, auch wenn ich vorgab, es nicht weiter zu beachten.
„Kann ich irgendwann mal mit dir ausgehen?“, fragt er mich vor meinem Wohnheim.
„Ist das ein Code für ‚Kann ich noch raufkommen und mit dir schlafen‘?“, konterte ich.
Die Antwort kam prompt. „Nein.“
Wieder ein Novum.
Ich blinzelte. „Im Ernst? Denn ich würde wahrscheinlich mit dir schlafen.“ Das war gelogen. Zumindest hatte ich in jenem Moment nicht die Absicht, mit ihm zu schlafen. Aber diese Augen … und die schöne Hand, die meine so fest hielt … „Bittest du mich etwa um ein Rendezvous?“
„Ja.“ Da war dieses schnelle, feste Ja. „Ja, ich will ein Date. Und ich will nicht mit dir schlafen. Zumindest nicht heute.“
„Warum? Bist du Mormone? Hast du Erektionsprobleme? Bist du schwul?“
Er grinste, und seine dunklen Augen funkelten. „Nein, nein und nein. Der eigentliche Grund, Harper Elisabeth James, ist …“ – Mist, ich hatte ihm meinen vollen Namen genannt, und er hatte ihn behalten – seufz! – „… dass es … respektlos wäre.“
Ich blinzelte. „Oh, da bin ich aber sprachlos. Ich kann mit absoluter Gewissheit behaupten, diesen Satz noch nie zuvor gehört zu haben.“ Okay, was sollte ich sagen? Ich studierte Rechtswissenschaften, und wir klangen alle wie aufgeblasene Idioten. Außerdem hatte ich drei Bier getrunken, was mich noch aufgeblasener und idiotischer klingen ließ.
Aber Nick schien das süß zu finden. „Ich ruf dich morgen an.“
„Also, den Satz kenne ich. Und er bedeutet, dass ich nie wieder was von dir höre.“
Neun Stunden später rief er mich tatsächlich an, nachdem er sich in die College-Website eingehackt und meine Handynummer ausspioniert hatte. „Hier ist Nick.“
„Welcher Nick?“, fragte ich und wurde zum vielleicht ersten Mal in meinem Leben rot.
„Der Vater deiner Kinder.“
„Ach so, der.“ Ich musste grinsen. „Bekomme ich wenigstens ein Abendessen, bevor ich mich fortpflanzen muss?“
Er lud mich in ein richtiges Restaurant in Northampton ein – keine Studentenkneipe mit Falafel für vier Dollar, sondern ein Lokal mit richtigen Tischdecken und Kellnern und allem –, und so begann meine erste richtige Beziehung. Er rief an, wenn er es angekündigt hatte. Er schickte mir nette Sprüche per E-Mail, ging mit mir Mittag essen, tauchte manchmal nach einem Kurs auf, um mit mir über den Campus zu spazieren. Wir waren oft im Kino, wo wir unablässig redeten und die anderen Kinobesucher störten. Wir gingen so altmodisch miteinander, so wie man in den Fünfzigerjahren miteinander ging, und ich konnte kaum fassen, wie viel Spaß es machte.
Einen ganzen Monat lang küsste er mich nicht und fasste mich auch nicht an – abgesehen vom Händchenhalten –, und am Ende konnte ich die Erregung kaum noch ertragen. Was ich natürlich krampfhaft verbarg. Ich erwähnte es mit keiner Silbe, wartete einfach ab, aufgewühlter, als ich sein wollte, ob er da irgendein komisches Spiel mit mir spielte. Aber ich lauerte sehnsüchtig auf seine Anrufe, und mein Herz machte immer diesen kleinen Satz, wenn ich ihn sah.
Vier Wochen und zwei Tage nach unserer ersten Begegnung lud Nick mich zum ersten Mal in seine Wohnung ein, eine typische kleine Studentenbude, die jedoch untypisch sauber und aufgeräumt war. Er bekochte mich – Lasagne mit Salat und frischem, warmem Brot. Dazu gab es Rotwein, aber er schenkte sparsam nach, um mich nicht betrunken zu machen. Als Nachtisch hatte er einen Kuchen gebacken, und ich fragte ihn erneut, ob er nicht vielleicht doch schwul sei. Ich durfte nicht beim Abwasch helfen. Als wir Händchen haltend auf seiner Couch saßen, erzählte er mir, warum er die Brooklyn Bridge als das schönste Bauwerk der Welt erachtete und dass er sie mir bei meinem ersten Besuch in New York zeigen würde: Wir würden zu Fuß hinübergehen, in Brooklyn Eis essen, wieder nach Manhattan zurücklaufen und dabei ausgiebigdie erste stählerne Hängebrücke der Welt bewundern.
„Ich persönlich liebe ja die Architektur von Schnellrestaurants“, sagte ich.
„Dann muss ich mich wohl scheiden lassen.“
„Dann bekomme ich die Jacht und die Wohnung in Paris.
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