Zurückgeküsst (German Edition)
Zeit schien für eine Sekunde stillzustehen, und alle anderen Leute schienen einfach zu verschwinden, während dieser dunkelhaarige Mann … Junge … mich nur ansah.
„Alles in Ordnung?“, fragte Tina, meine damals beste Freundin.
„Klar“, sagte ich, und der Bann war gebrochen.
Doch der Typ kam zu uns rüber, setzte sich an den Nebentisch, sah mich weiterhin an, und ich hatte das Gefühl – verzeihen Sie das blöde Klischee –, dass er mich wirklich sah , weil er sich so auf mich konzentrierte.
„Warum starrst du mich so an, hm?“, fragte ich ihn in der für mich typischen spöttischen Art.
„Weil du meine Frau wirst. Die Mutter meiner Kinder.“ Er zog einen Mundwinkel nach oben, und in meinem Unterleibbegann es gefährlich zu kribbeln.
„Du kannst mich mal“, erwiderte ich und wollte mich wegdrehen.
„Alles, was du willst“, entgegnete er und setzte dieses umwerfende Lächeln auf, das besagte: Okay, ich bin ein Schuft, aber wir wissen doch beide, dass ich jetzt auch mit einem Mord davonkommen würde … Es war schwer, diesem Typen zu widerstehen, also drehte ich mich nicht weg und erwiderte sein Lächeln.
„Also, wann sollen wir heiraten?“, fragte er und rückte mit seinem Stuhl näher an mich heran.
Ich musterte ihn verstohlen. Schöne Hände. Schöne Augen. Dichtes dunkelbraunes Haar … Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich auf dunkelhaarige Männer stehe?
„Ich werde dich nicht heiraten, auch wenn du der letzte Mann auf der Welt wärst.“
„Und trotzdem musterst du mich von oben bis unten“, erwiderte er. „Was willst du trinken, Süße?“
Ich lachte und sagte: „Mann, du hast Nerven! Samuel Adams Bier, bitte.“
Eigentlich feierte ich meinen Geburtstag nicht gern – es rief unschöne Erinnerungen wach –, aber Tina und zwei andere Freundinnen hatten mich hierhergeschleift. Wir waren alle in unserem dritten Jahr in Amherst, erhielten eine ausgezeichnete Ausbildung an einem äußerst feministisch orientierten College und waren überzeugt, dass die Welt uns offenstand und wir alle etwas Bedeutendes erreichen würden. Trotzdem schienen meine drei Freundinnen angesichts dieses ausgesprochen attraktiven Mannes in Ehrfurcht zu erstarren. Sieh dir nur Harper an! Ein Typ macht ihr den Hof! Hat sogar schon von Heirat gesprochen! Macht Platz! Verderbt es nicht!
Und obwohl ich es nur ungern zugebe, war auch ich von Nick überwältigt, was mich zudem sehr überraschte. Aber das gehört wohl zum Überwältigtsein dazu.
Nick Lowery war so ganz anders als die blassen, unsicheren Freunde, die ich bis dahin gehabt hatte – und es waren einigegewesen, doch geliebt hatte ich keinen. Mit seinen dreiundzwanzig Jahren war er schon richtig erwachsen. Er studierte an der staatlichen Uni und würde bald seinen Abschluss in Architektur machen. Er hatte sogar schon ein Jobangebot für den folgenden Sommer – einen richtigen Job, kein Praktikum –, als Architekt in New York in einem Büro, das auf der ganzen Welt riesige Gebäude baute. Er wusste, was er wollte, er hatte einen Plan, wie er es bekäme, und der Plan funktionierte. In einer Welt voller unreifer, planloser und nicht karrieretauglicher Collegestudenten stach er hervor und war überdies ungemein aufregend.
Wir redeten stundenlang. Er trank, ohne betrunken zu werden, und versuchte auch nicht, mich betrunken zu machen. Er hörte zu, wenn ich etwas sagte, und sah mich eindringlich an. Was für Augen! So schön und irgendwie … tragisch, als trüge er einen geheimen Schmerz in sich, eine feine Qual, wie sie nur eine alte Seele empfinden konnte … Also gut, ich hatte vielleicht doch ein bisschen zu viel getrunken. Nick war in Brooklyn aufgewachsen und konnte es kaum erwarten, nach New York City zurückzukehren. Er liebte die Yankees, woraufhin wir uns mit Baseballsprüchen kabbelten. Ich gewann, da ich es schaffte, die Sox trotz ihrer schlechten Saison wie Helden dastehen zu lassen. Er fragte, was ich tun wolle, was mir Spaß mache zu lernen, woher ich komme. Er schien sich nie zu langweilen, auch dann nicht, als ich ausschweifend über Umweltrecht schwadronierte, und er starrte mir auch nicht auf die Brüste. Er schien mich einfach … gern zu mögen.
Als der Kellner uns irgendwann hinauskomplimentierte, waren wir beide schockiert, dass es tatsächlich schon halb drei war. Nick bot an, mich nach Hause zu begleiten, und als wir über den dunklen, verlassenen Campus spazierten, fasste er meine Hand. Das war ein Novum für mich
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