Zurückgeküsst (German Edition)
die jetzt zusammengerollt auf seinem Schoß lag und ihn aus großen braunen Augen bewundernd anstarrte.
„Also gut, Nick. Ihr habt nicht über mich gesprochen. ‚Sie ist gar nicht übel. Sie hat ihre Momente. Sie ist flott auf ihre ganz eigene Art.‘ Worüber habt ihr denn dann gesprochen, hm?“
Nick lächelte, und die Fältchen um seine Augen wurden tiefer. Es war nicht fair, dass Männer mit dem Alter attraktiver wurden. Kein bisschen fair. „Tja, du hast ein ausgezeichnetes Gedächtnis, Harper, aber die Wahrheit ist, dass wir über diesen Wagen gesprochen haben.“
Ich machte den Mund auf … und schloss ihn wieder. „Im Moment gehört sie mir?“, fragte ich nach.
„Ja, das Auto. Die Kiste.“ Er sah mich wieder an. „Gehört einem Freund von mir.“
Verdammt! Das hatte er absichtlich gemacht, das wusste ich! Ich hasste Männer wirklich. Vor allem diesen hier.
Nachdem er am Radio herumgefummelt und vergeblich einen Sender gesucht hatte, öffnete Nick das Handschuhfach, zog seinen iPod hervor und stöpselte ihn ins Armaturenbrett. Er drückte ein paar Knöpfe, und schon erklang die heisere Stimme von Isaac Slade, dem Leadsänger von The Fray. „You Found Me“. Eines meiner Lieblingslieder. Auch von Nick, wie es schien. Die nächste Gruppe waren die Kings of Leon. Ich hatte denselben Song auf meinem iPod. Nicht in dieser Reihenfolge, aber verdammt noch mal in derselben Playlist. Dann kam derneueste Song von U2. Hatte ich auch. Als Nächstes „Viva la Vida“ von Coldplay, ein Song, den ich bestimmt schon hundertmal gehört hatte.
„Ich glaube, den überspringe ich lieber“, sagte Nick. „Den habe ich ein bisschen zu oft gehört.“
„Ja, mach ruhig“, erwiderte ich. Das gab’s doch gar nicht!
Also gut, wir hatten denselben Musikgeschmack, aber das war ja auch keine große Überraschung, da wir beide aus dem Nordosten stammten und etwa im selben Alter waren … Trotzdem war es ein bisschen unheimlich.
Wir machten noch zwei weitere Zwischenstopps, wobei ich mir jedes Mal auf die Zunge biss, um nicht ausfällig zu werden, als Nick zuerst einen Staudamm mit Überflussanlage und dann ein paar riesige Getreidesilos neben einer Bahnstrecke fasziniert bewunderte. Aber irgendwann kamen wir endlich in einen Ort – eine wahre Metropole, verglichen mit allem, was wir bisher gesehen hatten. Vier Straßenkreuzungen, eine Ampel. Und, noch wichtiger, ein Restaurant. Sogar zwei.
Es war ein netter Ort … Backsteinhäuser mit hübschen Verzierungen. Sauber. Freundlich. Wenn ich einen Ort suchen würde, an dem ich mich verstecken wollte, würde ich diesen nehmen. Vielleicht hatte meine Mutter das auch getan – irgendwann.
„Hast du Hunger?“, fragte Nick.
„Und wie!“ Der Sechserpack Donuts war nur noch eine ferne Erinnerung.
Im Restaurant saß niemand, und der Barkeeper begrüßte uns mit angenehmem Akzent, fragte, woher wir kämen, und hatte nichts dagegen, dass wir Coco mitbrachten. Die Leute hier draußen waren nett. Entspannt. Nicht wie wir Yankees, die immer von einem Ort zum nächsten hetzten.
Nick und ich nahmen an einem Tisch Platz und bestellten jeder ein Reuben-Sandwich mit Corned Beef, Sauerkraut und Käse, das erstaunlich gut schmeckte. Nick las die Ortszeitung, klaute mir hin und wieder ein paar Pommes frites, als wären wir ein altes Ehepaar, und fütterte manchmal auch Coco. BarkeeperLou, der hier aus der Gegend stammte, gab ihm bereitwillig Auskunft über den Staudamm. Dann sagte Lou, er sei schon in New York gewesen, und die Männer unterhielten sich angeregt über die Lokale der Großstadt.
Nick war schon immer sehr kontaktfreudig gewesen. Ganz im Gegensatz zu mir.
Als Lou ans Telefon gehen musste, holte Nick ein Buch heraus, einen dicken Schmöker über die großartigsten U-Bahn-Systeme der Welt.
„Sollten wir nicht weiterfahren? Zum Flughafen? Damit du mich los bist und ich nach Hause komme?“
Er guckte weiter in sein Buch. „Es sind doch nur noch ein paar Stunden, Harper. Entspann dich. Ich möchte noch einen Huckleberry-Kuchen essen. Davon habe ich noch nie gehört.“ Er sah auf. „Darum geht es doch im Leben, oder? Dass man neue Erfahrungen macht – carpe diem und so weiter?“
Ich verdrehte die Augen. Diese ganze Autofahrt wurde allmählich … irritierend. Ich wollte nach Hause. Dieser weite Himmel, dieses weite Land … Ich fühlte mich so … klein und hilflos. Es gab zu viele Erinnerungen, zu viele Schwingungen zwischen Nick und mir. Nick sah wieder in sein
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