Zurückgeküsst (German Edition)
konnte.
Das Erntedankfest war in etwa so, wie man es von einem Erntedankfest im Mittleren Westen der USA erwarten würde – der Platz hinter der Kirche war mit Lichterketten erleuchtet, es gab Stände mit verführerisch duftendem Essen – Hot Dogs, Hamburger und Bratwürste – sowie einen Tisch mit Dutzenden von Aufläufen, bunten Götterspeisen und Kuchenplatten. Dazu Limonade und Milch … und kein Bier! Gleich sollte eine kleine Band spielen, bestehend aus Gitarrist, Bassist und Geiger. Die Erntekönigin dieses Jahres, ein deftiges, hübsches Mädchen in rosa Ballkleid, Arbeitsstiefeln und Käppi, sammelte Geld für das Footballteam der Schule. Kinder liefen mit Wunderkerzen herum, und das Ganze hätte aus einem amerikanischen Heimatfilm stammen können.
„Findet das Erntedankfest immer an einem Montagabend statt?“, erkundigte ich mich. Es war schwer zu glauben, dass erst Montag war – ich hatte das Gefühl, als wäre ich schon seit Ewigkeiten mit Nick unterwegs.
„Oh nein!“, antwortete Margie. „Es hätte schon am Samstag stattfinden sollen, aber da hatten wir einen ganz üblen Sturm. Und heute bei dem Gewitter hab ich schon fast befürchtet, dass wir es wieder verschieben müssten. Aber der Herr hat meine Gebete wohl erhört, denn jetzt ist ja alles wunderbar, nicht?“
„Oh ja. Es könnte nicht besser sein“, stimmte ich zu.
„Na ja, ein bisschen kalt ist es ja schon geworden. Ich werde heute Nacht auf jeden Fall meine Blumen reinbringen. Es könnte sogar schon Frost geben, stellen Sie sich vor!“
Ich lächelte. Offen gesagt, merkte ich, dass ich mich ein bisschen in Harold, North Dakota, verliebt hatte. Gut, ich hatte in den vergangenen zwei Tagen nur Nick als Gesprächspartner gehabt und war daher vielleicht etwas anfällig für wohlgemeinte Aufmerksamkeiten, aber die Leute hier waren wirklich die freundlichsten und nettesten Menschen, die man sich vorstellen konnte. Martha’s Vineyard war zwar nicht gerade die Brutstätte der Sünde … aber es war eine recht wohlhabende, noble Gegend, und mit viel Geld kam nun mal auch viel … nun ja, seien wir ehrlich … Überheblichkeit. Hier schien das Leben viel ausgeglichener, klarer, fairer – ein Urteil, das natürlich als sehr herablassend und naiv erachtet werden könnte. Vermutlich war es nur Wunschdenken. Andererseits war ich lediglich für eine Übernachtung hier, und wenn ich mich da an meinen Vorurteilen festhalten wollte, würde das sicher niemandem schaden.
„Darf ich Ihren Hund einmal um die Kirche spazieren führen?“, fragte ein Mädchen. Es war ungefähr zwölf, groß und schlank und trug geflochtene Zöpfe. Meine Mutter hatte mir meine Haare auch so geflochten, als ich klein war. „Ich passe auch gut auf“, fügte das Mädchen hinzu.
„Also, in dem Fall … natürlich“, sagte ich. Das Mädchen bedankte sich, nahm Cocos Leine, und beim Anblick einer neuen Bewunderin sprang Coco freudig auf.
„Ihr Mann ist ja ein ganz schöner Hingucker, was?“, meinte Margie.
Ach ja … das war noch so eine Sache: Alle hier in Harold gingen davon aus, dass Nick und ich verheiratet wären, trotz derTatsache, dass keiner von uns einen Ring trug. Ich hatte diese Annahme nicht entkräftet, und obwohl Nick und ich seit unserer Ankunft nicht viel miteinander gesprochen hatten, war ich ziemlich sicher, dass er es auch darauf beruhen ließ.
Ich sah zu ihm hinüber. Er war tatsächlich verdammt attraktiv, wie er so mit den Händen in den Taschen dastand, entspannt lächelte und mit dem Mechaniker und Deacon redete. Dennis sah natürlich auch umwerfend aus, aber Nick … bei Nick regte sich etwas tief in mir.
„Wie lange sind Sie denn schon zusammen?“, wollte Margie wissen.
„Als wir geheiratet haben, war ich einundzwanzig“, antwortete ich. Bitte sehr, keine Lüge. Sollten sie ruhig denken, dass wir verheiratet wären. Die Wahrheit würde diesem Abend nur seinen Zauber nehmen.
„Kinder?“
Eine Sekunde lang hatte ich das Bild eines dunkelhaarigen, braunäugigen Jungen vor Augen. Ein wenig mager, verschmitzt, mit unwiderstehlichem Lächeln. Der Junge könnte sich alles erlauben, und ich würde ihm alles durchgehen lassen, weil er aussähe wie sein Vater … „Nein, keine Kinder.“
„Es ist ja noch Zeit“, sagte Margie wohlmeinend.
„Auf jeden Fall“, erwiderte ich.
„Aber zu lange sollten Sie trotzdem nicht warten“, fügte sie hinzu. „Man darf auch keine Zeit verschwenden.“
Als hätte er gemerkt, dass ich gerade
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