Zusammen Allein
aus dem Physikseminar sollten in den Physikordner, die Maschinenbauunterlagen in den Maschinenbauordner. Ich hielt das nicht nur für einen genialen Plan, das gebe ich zu, sondern wollte auch meine Neugierde, was den Keller betraf, befriedigen. Doch kaum hatte ich den Raum betreten, ging wie auf ein geheimnisvolles Signal das Licht aus. Das hätte ich als Fingerzeig Gottes verstehen können, doch Gott war weit weg und meine Neugierde nah. Da es keinen Sinn hatte, auf Licht zu warten, es war Feitag, und der Strom wurde für die Sollerfüllung der Wochenproduktion abgezweigt, ging ich rasch nach oben und holte die Petroleumleuchte. Sie stand wie immer im Flur, griffbereit.
Auch beim zweiten Betreten des Kellerraumes fiel mir ein besonderer Geruch auf. In einem Zinngefäß entdeckte ich Reste von Asche, doch was verbrannt worden war, konnte ich nicht feststellen. Meine Neugierde wuchs. Mehrmals drehte ich mich im Kreis, betrachtete die seltsame Einrichtung. Auf der einen Seite stand derSchreibtisch mit dem dazugehörigen Bücher- und Aktenregal, in dem anderen Teil aber hingen Werkzeuge, Kabel und Elektrogeräte an der Wand. Davor stand eine stabile Werkbank. Petre bastelte alte Radios auseinander und wieder zusammen, das wusste ich, aber wozu brauchte er die vielen Feilen, Schnitzwerkzeuge und die sorgsam geschmirgelten Holzbretter? Zu einem schiefen Berg geschichtet lagen sie auf dem teilweise gefliesten Fußboden.
Das Gerücht, es gäbe Huhn, hatte Puscha und Misch aus dem Haus gelockt, vor einer Stunde würden sie nicht zurückkehren. Ich hatte Zeit. Also legte ich die Akten auf den Schreibtisch, ging zur Werkbank, bückte mich und begann, die Bretter der Größe nach zu ordnen. Beim Abstellen des vorletzten Brettes strich meine Hand über den Steinfußboden. Eine Fliese löste sich, und ich konnte sie mit der Hand anheben. So etwas erlebt man nicht sehr oft. Mein Herz begann, heftig zu schlagen. Ein Hohlraum befand sich unter der Fliese, das sah ich sofort. Ein gutes Versteck für ein Tagebuch, jubilierte ich. Als ich jedoch das Abdecktuch vorsichtig anhob, stieß ich auf eine Zigarrenkiste. Ein Tagebuch passte da nicht hinein, aber immer noch dachte ich an etwas Harmloses, an Briefe zum Beispiel. Neugierig holte ich die Zigarrenkiste hervor, hielt sie ans Licht, öffnete sie und erstarrte.
Buchstaben aus Holz waren sorgfältig übereinandergelegt und durch Löschpapier fixiert worden. Ich war jung, ich war unerfahren, aber ich hatte genug gehört und erlauscht, um zu ahnen, dass ich einem Geheimnis auf die Spur gekommen war, einem Geheimnis, dass direkt mit Petres merkwürdigem Verhalten im Augustzu tun hatte und seiner Angst vor Entdeckung, die ihm damals wie eine Ausdünstung angehaftet hatte. Ich suchte weiter und fand reinweißes Schreibpapier und ein Schriftstück mit einem verwischten Probedruck. Auch eine kleine Walze, versteckt in einem Radio, und Tusche, als Holzfarbe getarnt, kamen nach längerem Suchen zum Vorschein. Als ich das blaue Durchschlagpapier entdeckte, wusste ich, dass Petre mit mindestens einem Bein im Gefängnis stand. Plötzlich ging über mir das Deckenlicht wieder an. Ich erschrak, als hätte jemand einen Schuss auf mich abgefeuert.
Den Probedruck faltete ich sorgsam zusammen und versteckte ihn in meinem Hosenbund. Alles andere räumte ich wieder dorthin zurück, wo ich es gefunden hatte. Meine Hände zitterten. Alles verbrennen, dachte ich mir, doch ich wollte erst in Ruhe über diesen Impuls nachdenken. Fast hätte ich die mitgebrachten Unterlagen vergessen. Ich ordnete sie nicht ein, sondern nahm sie hoch und legte sie auf Petres Bett. In der Aufregung hatte ich auch noch die Petroleumlampe unten stehen lassen. Hastig rannte ich wieder in den Keller, schraubte das Scharnier zum zweiten Mal ab, eine Minute später wieder dran. Die Zeit wurde knapp, und bis ich mit allem fertig war, fühlten sich meine Hände eiskalt an. Unter den Achseln aber war ich nassgeschwitzt.
Ich atmete erleichtert aus, als feststand, dass Puscha und Misch noch nicht zurück waren. Wusste Misch von den geheimen Aktionen seines Sohnes? Es war mir unbegreiflich, wie man ein solches Risiko eingehen konnte. Bereits für den Besitz eines einzigen Protestbriefes konnte man zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden.Um mich zu beruhigen, kochte ich mir einen Tee, dann schloss ich mich in meinem Zimmer ein.
We ... gegen die Politik von Ceau... protestier.. will, soll jeden Sonntag, 11 ..., auf
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