Zusammen Allein
herumstehen?«
»Oje. Nichts steht vergeblich herum, man muss die Dinge nur richtig nutzen.«
Weil er lachte, weil er über sich selbst lachen konnte, schlug ich ein. Ergriff seine Hand, schüttelte sie und ließ mich zu einem Ausflug überreden.
Frisch gewaschen und frisiert holte er mich ab. Ich hatte mich um nichts gekümmert. Zelt, Nahrungsmittel, Karte und sogar zwei Bizykel, klapprig, hatte er besorgt. Wir fuhren aber nicht in die Berge, sondern an den Alt nach Honigberg.
Das Zelt war überflüssig, ein rumänischer Schafhirte lud uns in seine Holzhütte ein, die erfüllt war vom Duft nasser Wollkleidung. Es war himmlisch. Wir feierten dies und jenes, wir tranken Ţuică und aßen sehr reifen Käse. Es war nicht zu glauben, dass etwas, das nur aus Milch hergestellt wurde, so gut schmecken konnte. In einer Ecke, weich gebettet auf zahlreichen Schaffellen, legten wir uns zum Schlafen. Doch schon bald spürte ich Hände. Es waren zärtliche Hände, geduldige. Da uns tiefe Dunkelheit umschloss, hätte ich mir einbilden können, es wären Petres Finger, die liebevoll mein Gesicht und meinen Hals erkundeten. Doch allein dieser Gedanke ließ mich hellwach werden. Ich flüsterte Sebastian zu, dass ich noch nicht so weit sei.
»Womit?«
»Mit der Glut und so.«
Zu Hause angekommen, rannte ich sofort in den ersten Stock, suchte nach meinem Geliebten. Vielleicht sieht er mein Verlangen, so hoffte ich, vielleicht erweicht ihn dieses Etwas in meinem hungrigen Blick. Petre war nicht in seinem Zimmer, nicht im Keller. Diese Enttäuschung, die nicht einfach nur eine Enttäuschungist, sondern ein Schmerz, raubte mir das letzte bisschen Hoffnung. Es war so schlimm, dass ich ein Ende herbeisehnte. Ich wusste nicht, welches Ende ich mir wünschen sollte, mein Lebensende oder das der Liebe.
Auch im Sommer fuhr ich mit Sebastian weg. Seine Haare wurden weiß, die Sommersprossen gingen in einen satten Braunton über. Ich fand ihn süß, aber anstrengend. Ihn interessierten Berge und Bären und Pflanzen, besonders Blütenpflanzen. Natürlich kannte er ihre Vor- und Zunamen. Über die Tatsache, dass ich mir diese Zungenbrecher nicht merken konnte – irgendetwas Grünes mit giganteum am Ende und etwas Blaues mit Pulmonaria am Anfang –, schüttelte er seinen blonden Schopf, wirkte aber keineswegs enttäuscht. Nie ging er ohne ein Boot, einen Wanderstock, eine Angel. Freizeitaccessoires schienen ihm je nach Bedarf aus dem Körper zu wachsen. Er liebte die Bewegung wie ich die Ruhe, vielleicht weil er der ausgeglichenste Mensch war, den man sich vorstellen konnte.
Aus irgendeinem Grund hatte er mich als Freizeitpartnerin erwählt. Wenn man ihn fragte warum, geriet er in Erklärungsnot.
»Weil ich wunderschön bin«, half ich nach. »Weil ich sehr intelligent und belesen bin.« Er zuckte die Schultern. »Weil ich alles mitmache?«
Ja, das sei es, grinste er, »mit dir könnte man so herrlich alles machen.«
»Könnte, warum sagst du nicht kann, kann man alles machen?«
»Weil es nicht stimmt, leider.«
Verglich man unsere Beziehung mit einem Hefeteig, dann war sie weder locker noch süß. Aber wir mochten uns, und wir lachten viel. Sebastian wurde mein allerbester Freund, mit dem ich im Gras lag und Wolkenbilder deutete. Wir berührten uns, wir küssten uns, aber da war eine Grenze, die wir nie überschritten.
Keine wöchentlichen Briefe mehr. Und der Grundton ein anderer.
Liebes Spatzerl,
wir bestehen darauf, dass Du zur Eri zurückkehrst. Tu es einfach, egal , ob Du es verstehst. Tu es für uns. Stell Dir vor, es hat den ganzen August durchgeregnet. Hast Du das Paket bekommen?
Der Kukuruz, stell Dir vor, ist giftgrün. Er trägt allerdings auch wenig Kolben. Schweinefutter , sagen sie hier. Den Ausdruck Kukuruz kennen sie nicht, nur amerikanischen Süßmais. Überhaupt sind sie kaptschulig auf alles Amerikanische, immer noch.
Plötzlich hatte ich eine unbändige Lust, mit meiner Mutter zu reden. Ich meldete ein Ferngespräch an. Diesmal würde ich sie nach meinem Großvater fragen. Es dauerte drei Stunden, bis eine Verbindung zustande kam. Dann endlich, die verschlafene Stimme von Mamusch. Es war spät geworden, und ich hatte vergessen, was ich sagen wollte. Ich hoffte, sie würde mir irgendetwas erzählen, etwas, das meine Sehnsucht vertrieb, doch sie gähnte nur unablässig. Bereits nach einer Minute stritten wir uns.
»Puscha ist immer für mich da«, schrie ich in den
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