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Zusammen Allein

Titel: Zusammen Allein Kostenlos Bücher Online Lesen
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Geheimdienst.«
    Ich drehte mich weg und sah dem Wasserstrahl dabei zu, wie er sich in den Abfluss stürzte. Für meinen Begriffsah Petre Gespenster. Doch konnte man ihm das verübeln? Sanft zog ich ihn zu mir herunter, fuhr mit den Fingern durch sein schwarzes Haar.
    »Ich will nicht ohne dich fahren«, seufzte ich, und uns beiden war klar, dass ich nicht nur die Fahrt nach Temeschwar meinte.
    »Drăguţa«, begann er, und ich biss mir auf die Lippen, denn er entzog sich meiner Berührung. Stockend, holpernd erklärte er mir, dass er Zeit brauchen würde, dass er die Einsamkeit der Zweisamkeit vorziehen würde. Und dass er mich nicht mehr lieben würde. Vorbereitete Sätze, so schien es mir, bahnten sich einen Weg. Die Hürden jedoch waren hoch, das Stolpern unvermeidlich. »Such dir einen anderen«, mit diesen Worten beendete er seine Erklärung, und ich konnte nicht anders, meine Hand holte aus, ich schlug ihn ins Gesicht.
    Da schlug auch er. Seine Augen glühten. Funkelnde Kohlestücke, die mich verbrannten.
    »Tu das nie wieder, Schneewittchen!«
    »Du lügst!«, wehrte ich mich, genoss das Feuer auf meiner Wange. »Du willst mich schonen. Du liebst mich, das spüre ich. Ich liebe dich doch auch. Du fällst mir nicht zur Last. Ich will dich so, wie du bist.«
    Meine Güte, war ich ein Schaf. Es lag doch auf der Hand, dass er nicht lieben konnte.
    Seine Stimme, leiser als früher, wurde zu einem Wispern.
    »Wenn du willst, werde ich dich begleiten. Als Freund. Aber merk dir, wir sind kein Paar mehr.«
     
    Ich hatte immer noch keinen Sinn für die zahlreichen Möglichkeiten, die einem Verlust folgen können, keinenInstinkt für den Farbenreichtum des Leids. Ich war nur tief getroffen. Petres Ablehnung legte sich wie ein Schlagbaum quer vor mein Leben. Vorwärts konnte ich nicht mehr gehen. Zurück, wohin sollte ich zurück? Kann man Liebe zurückdrehen? Kurz dachte ich darüber nach, ein Schlagbaum sei eine Absperrung, die es zu unterlaufen oder zu überspringen gälte. Bestimmt erwartete Petre, dass ich um ihn kämpfte. Doch dann suchte ich Rat in seinen dunklen Augen. Mein Mut sank, und ich gab auf. Blieb stehen, mitten in der Liebe festgefroren. Und je länger ich ihn anstarrte, desto klarer wurde mir, die Traurigkeit, die ihm wie ein schlechter Geruch anhaftete, hatte auch etwas mit mir zu tun. Er hatte mich verloren, unterwegs, im Gefängnis, vielleicht lange davor. Ja, er und ich, wir waren kein Paar mehr.
     
     
    »Wohin wollt ihr?« Puscha war entsetzt. Fassungslos zog sie die Augenbrauen hoch, während wir ihr wispernd von unserem Plan erzählten. »Die Welt ist verrückt geworden. Und ich soll euch ein Butterbrot schmieren, damit ihr nicht mit leerem Magen erschossen werdet. Ist eine Revolution nicht eine Nummer zu groß für euch?«
    Puscha begann zu weinen. Weder Petre noch ich konnten sie beruhigen, sie stieß unsere Hände von sich und tobte durch das enge Bad. Handtücher fielen zu Boden, Schminkutensilien. Ihre Schuhsohlen hinterließen rote Zickzackspuren auf dem Linoleum. Misch hatte sich nach unten geflüchtet, man hörte ihn mehrmals laut seufzen. »Wenn Petre das Haus verlässt, werdensie euch folgen. Ihr seid verhaftet, bevor ihr den Bahnhof   …«
    »Wir ziehen früh los, bevor die erste Schicht der Geheimen beginnt. Zur Sicherheit werde ich so tun, als würde ich einkaufen gehen«, unterbrach Petre sie, »vertrau mir, ich weiß, wie man das macht. Ich werde Agnes nicht unnötig in Gefahr bringen.«
    »Joi, aber es ist Dezember. Für eine Revolution sucht man sich eine warme Jahreszeit aus. Ihr werdet erfrieren, bevor sie euch erschießen können. Wo wollt ihr schlafen?«
    »Sebastian und Liane fahren mit, sie haben eine Tante oder eine Cousine in Temeschwar.«
    »Dann ist ja alles gut. Dann können die sich um die Überführung kümmern.«
    So ging das den ganzen Abend. Puschas Kräfte waren gewaltig. Sie ließ keine Drohung aus, sie wollte mich enterben, sie ließ keine Erpressung aus, sie würde noch heute Nacht vor Kummer aus dem ersten Stock springen und sich alle Knochen brechen, sie ließ keinen Versuch aus, uns umzustimmen: »Wer weiß schon, was nach dem Kommunismus kommt«, lamentierte sie. An das kommunistische Elend habe man sich wenigstens gewöhnt. Ein kapitalistisches Elend könne unter Umständen noch jämmerlicher sein, aber das wüsste man immer erst im Nachhinein. Schließlich aber schmierte sie uns dicke Butterbrote, die sie mit Tränen würzte. Und ich zog mich in

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