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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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vergessen.
     
    Sie schneuzte sich geräuschvoll.
    Sie hatte sich immer gern mit ihr unterhalten.
    Wirklich.
    Niemand anderes auf der Welt hatte ihr je zugehört.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    3
     
     
     
    In den ersten Tagen kam Paulette nicht aus ihrem Zimmer. Sie hatte Angst zu stören, sie hatte Angst, sich zu verlaufen, sie hatte Angst zu fallen (sie hatten ihr Wägelchen vergessen), und vor allem hatte sie Angst, ihre Kurzschlußhandlung zu bereuen.
    Oft kam sie durcheinander, redete davon, daß sie sehr schöne Ferien verbringe, und fragte, wann sie die Absicht hätten, sie wieder nach Hause zu bringen.
    »Wo soll das sein, dein Zuhause?« regte Franck sich auf.
    »Das weißt du doch, zu Hause, bei mir …«
    Seufzend ging er aus dem Zimmer:
    »Ich hab euch ja gesagt, das ist eine Schnapsidee. Jetzt dreht sie völlig durch.«
    Camille sah Philibert an, und Philibert sah woandershin.
    »Paulette?«
    »Ah, du bist’s, Kleines. Du … Wie heißt du noch?«
    »Camille.«
    »Genau. Was möchtest du, Liebes?«
     
    Camille redete Klartext mit ihr, unverblümt. Erinnerte sie daran, woher sie kam, warum sie bei ihnen war, was die drei an ihrem Lebenswandel schon geändert hatten und noch ändern würden, um bei ihr zu sein. Sie erwähnte noch unzählige weitere einschneidende Details, die die alte Dame völlig hilflos machten:
    »Dann werde ich also nie mehr nach Hause zurückkehren?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Kommen Sie mit, Paulette.«
    Camille nahm sie bei der Hand und machte noch einmal eine Führung. Langsamer dieses Mal. Sie klopfte alles noch mal fest:
    »Das hier sind die Toiletten. Sehen Sie, Franck ist dabei, Griffe an der Wand zu montieren, damit Sie sich daran festhalten können.«
    »Unfug«, brummte er.
     
    »Das hier ist die Küche. Ganz schön groß, oder? Und kalt. Deshalb habe ich gestern den Teewagen geflickt. Damit Sie in Ihrem Zimmer essen können …«
    »… oder im Salon«, stellte Philibert klar, »Sie müssen sich nicht den ganzen Tag einschließen, wissen Sie?«
    »Gut, der Flur, der ist sehr lang, aber Sie können sich an der Wandtäfelung festhalten, nicht wahr? Wenn Sie Hilfe brauchen, gehen wir in die Apotheke und leihen uns ein Wägelchen aus.«
    »Ja, das wäre gut.«
    »Kein Problem! Einen Motorradfahrer haben wir ja schon im Haus.«
    »Hier, das Badezimmer. Und da müssen wir uns ernsthaft unterhalten, Paulette. Setzen Sie sich auf den Stuhl … Schauen Sie sich um. Sehen Sie, wie schön es ist?«
    »Sehr schön. So was habe ich in meiner Gegend noch nie gesehen.«
    »Gut. Und wissen Sie, was Ihr Enkel und seine Freunde morgen machen?«
    »Nein.«
    »Sie werden es verwüsten. Sie werden für Sie eine Duschkabine einbauen, weil die Badewanne zum Hineinsteigen zu hoch ist. Bevor es also zu spät ist, müssen Sie sich endgültig entscheiden. Entweder Sie bleiben hier, und die Jungs machen sich an die Arbeit, oder aber Sie haben keine rechte Lust zu bleiben – kein Problem, Sie entscheiden, wie Sie wollen, Paulette –, aber dann müssen Sie es uns jetzt sagen, verstehen Sie?«
    »Verstehen Sie?« wiederholte Philibert.
    Die alte Dame seufzte, spielte einige Sekunden, die ihnen wie eine Ewigkeit vorkamen, mit dem Zipfel ihrer Strickjacke, hob dann den Kopf und fragte besorgt:
    »Habt ihr an den Schemel gedacht?«
    »Pardon?«
    »Ich bin nicht behindert, wißt ihr? Ich kann sehr wohl allein duschen, aber ich brauche einen Schemel, sonst …«
    Philibert tat, als notierte er es auf dem Handteller:
    »Einen Schemel für die Dame am Ende des Flurs! Ist vermerkt! Was noch, bitte sehr?«
    Sie lächelte:
    »Sonst nichts.«
    »Sonst nichts?«
    Dann legte sie los:
    »Doch. Ich hätte gern meinen Télé Star , meine Kreuzworträtsel, meine Stricknadeln und Wolle für die Kleine, eine Dose Niveacreme, weil ich meine vergessen habe, Bonbons, ein kleines Radio auf dem Nachttisch, Brausetabletten für mein Gebiß, Strumpfhalter, Hausschuhe und einen wärmeren Morgenmantel, weil es hier überall zieht, Vorlagen, Puder, mein Parfümfläschchen, das Franck neulich vergessen hat, ein zweites Kopfkissen, eine Lupe und auch, daß ihr meinen Sessel näher ans Fenster stellt, und …«
    »Und?« fragte Philibert besorgt.
    »Und das war’s.«
    Franck, der sich mit seinem Werkzeugkasten zu ihnen gesellt hatte, schlug seinem Kollegen auf die Schulter:
    »Verflucht, Alter, jetzt haben wir zwei Prinzessinnen im Haus.«
    »Vorsicht!« schimpfte Camille, »du verteilst hier überall

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