Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
Vom Netzwerk:
Sie, Nummer 34, hier.« Paulette wollte Camille mit Blicken befragen, aber diese war in eine Geschichte über eine mißglückte Fettabsaugung vertieft. »Wirkt das nicht ein wenig traurig?« fragte sie beunruhigt. »Traurig! Überhaupt nicht! Im Gegenteil, richtig fröhlich!«)
    In der Tat, das … das war das Wort. Es wirkte sehr fröhlich, und noch am selben Tag stiegen sie an der Ecke zum Quai Voltaire aus, um bei Sennelier Künstlerbedarf unter anderem einen kleinen Topf Aquarellfarbe zu kaufen.
    Paulettes Haare waren von einem stark verdünnten Rosa mit Goldstich zu einem Windsor-Violett übergegangen.
    Ah! Es war sofort viel schicker.
     
    An den übrigen Tagen stand der Monoprix auf dem Programm. Sie brauchten über eine Stunde, um zweihundert Meter zurückzulegen, kosteten den neuen Danette, machten bei idiotischen Meinungsumfragen mit, probierten Lippenstifte oder schreckliche Schals aus Musselin. Sie trödelten, schwatzten, blieben unterwegs stehen, kommentierten das Aussehen der vornehmen Damen des 7. Arrondissements und die Fröhlichkeit der Jugendlichen. Ihre Lachanfälle, ihre hirnrissigen Geschichten, das Bimmeln ihrer Handys und ihre Rucksäcke, in denen viel Kleinkram aneinanderklapperte. Sie amüsierten sich, seufzten, mokierten sich und erholten sich behutsam. Sie hatten die Zeit, das Leben vor sich …
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    5
     
     
     
    Wenn Franck nicht für das leibliche Wohl sorgte, übernahm Camille diese Aufgabe. Einige verkochte Nudeln, mißglückte Tiefkühlgerichte und verbrannte Omelettes später war Paulette entschlossen, ihr die Grundzüge des Kochens beizubringen. Sie saß vor dem Gasherd und lehrte sie so einfache Wörter wie: Kräutersträußchen, gußeiserner Schmortopf, heiße Bratpfanne und Gemüsebrühe. Sie sah nicht mehr gut, aber mit Hilfe der Nase konnte sie ihr das weitere Vorgehen diktieren. Die Zwiebeln, den Speck, die Fleischstücke, so ist’s gut, bestens. Jetzt mit Wasser ablöschen. Nur zu, ich sag Bescheid. Gut so!
     
    »Sehr schön. Ich will nicht behaupten, daß ich aus dir eine Spitzenköchin mache, aber nun gut.«
    »Und Franck?«
    »Was ist mit Franck?«
    »Haben Sie ihm alles beigebracht?«
    »Nicht alles, nein! Ich habe ihn auf den Geschmack gebracht, glaube ich. Aber die großen Sachen, die hat er nicht von mir. Ich habe ihm die Alltagsküche gezeigt. Einfache, rustikale und preiswerte Gerichte. Als mein Mann wegen seinem Herz aufhören mußte, habe ich als Köchin in einem vornehmen Haushalt angefangen.«
    »Und er kam mit?«
    »Natürlich! Was sollte ich mit ihm machen, als er klein war? Gut, später ist er dann nicht mehr mitgekommen, das ist klar. Später …«
    »Was später?«
    »Ach, du weißt ja, wie es ist. Später wußte ich kaum noch, wo er sich rumtrieb. Aber … Er war begabt. Er hatte ein Händchen dafür. Die Küche war der einzige Ort, an dem er einigermaßen ruhig war.«
    »Das ist nach wie vor so.«
    »Hast du ihn schon gesehen?«
    »Ja. Er hat mich letztens als Aushilfe mitgenommen und … Ich habe ihn nicht wiedererkannt!«
    »Siehst du. Dabei, wenn du wüßtest, was für ein Drama es war, als wir ihn in die Lehre geschickt haben. Wie böse er auf uns war.«
    »Was wollte er denn machen?«
    »Nichts. Dummheiten. Camille, du trinkst zu viel!«
    »Machen Sie Witze? Ich trinke fast nichts mehr, seit Sie hier sind! Hier, ein Schlückchen Wein ist gut für die Durchblutung. Das ist nicht von mir, sondern von der Ärzteschaft.«
    »Einverstanden. Ein Gläschen, also.«
    »Und? Ziehen Sie nicht so ein Gesicht! Macht der Alkohol Sie melancholisch?«
    »Nein, die Erinnerungen …«
    »War es hart?«
    »Manchmal ja …«
    »Er war hart, nicht wahr?«
    »Er, das Leben …«
    »Er hat mir davon erzählt …«
    »Was?«
    »Von seiner Mutter. Daß sie gekommen ist, um ihn zu sich zu nehmen, und das alles.«
    »Weißt du, das … das Schlimme am Altern ist – komm, schenk mir noch ein Glas ein –, ist nicht so sehr, daß einen der Körper im Stich läßt, nein, es sind die Gewissensbisse. Wie sie einen heimsuchen, quälen. Am Tag. In der Nacht. Die ganze Zeit. Es kommt der Moment, wo man nicht mehr weiß, ob man die Augen offenhalten oder zumachen soll, um sie zu verscheuchen. Es kommt der Moment, wo … Gott weiß, daß ich es versucht habe. Ich habe versucht zu verstehen, warum es nicht geklappt hat, wann alles schiefgelaufen ist, alles …

Weitere Kostenlose Bücher