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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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für sie. Und was ich dir hier erzähle, hat sich in einem winzigen Dorf zugetragen. Sie ist gegangen, aber alle anderen, die sie von klein auf kannten und die sich hinter ihren Läden versteckten, um den aufgebrachten Maurice zu sehen, die sind geblieben. Und ich bin ihnen weiterhin begegnet. Am nächsten Tag und am übernächsten Tag und auch noch am Tag darauf. Das war … Das war unmenschlich. Das war die Hölle auf Erden. Das Mitgefühl der braven Bürger, es gibt nichts Schlimmeres. Derjenigen, die dir sagen, ich bitte für euch, und dabei nur versuchen, dir die Würmer aus der Nase zu ziehen, und derjenigen, die deinem Mann das Trinken beibringen und ihm immer wieder erzählen, daß sie genauso gehandelt hätten, Herrgott! Ich hatte Mordgelüste, glaub mir. Die Atombombe hab ich mir gewünscht!«
    Sie lachte.
    »Und außerdem? Der Kleine war einfach da. Er hatte niemanden um etwas gebeten. Und wir haben ihn geliebt. Wir haben ihn so gut es geht geliebt. Vielleicht waren wir manchmal sogar zu streng. Wir wollten nicht noch einmal dieselben Fehler machen. Und du schämst dich nicht, mich jetzt zu malen?«
    »Nein.«
    »Recht hast du. Die Scham führt uns nirgendwohin, glaub mir. Die Scham nützt dir nichts. Sie ist nur da, um den braven Leuten eine Freude zu machen. Wenn sie dann ihre Läden zumachen oder von der Kneipe heimkommen, fühlen sie sich gut zu Hause. Sie werfen sich in die Brust, schlüpfen in ihre Hausschuhe und lächeln sich an. In ihrer Familie gäb’s das nicht, dieses ganze Durcheinander, auf keinen Fall! Aber. Du malst mich doch wohl nicht mit dem Glas in der Hand, oder?«
    »Nein«, lächelte Camille.
    Stille.
    »Und danach? Ist alles gut verlaufen?«
    »Mit dem Kleinen? Ja. Er war ein guter Junge. Ungezogen, aber aufrichtig. Wenn er nicht bei mir in der Küche war, war er mit seinem Opa im Garten. Oder angeln. Er war jähzornig, aber er war kein schlechtes Pflänzchen. Er gedieh prächtig. Auch wenn das Leben nicht jeden Tag so lustig war, mit zwei Alten wie uns, die seit langem die Lust an der Unterhaltung verloren hatten, aber na ja. Wir haben unser möglichstes getan. Wir haben gespielt. Wir haben keine Kätzchen mehr umgebracht. Wir sind mit ihm in die Stadt gefahren. Ins Kino gegangen. Wir haben ihm seine Fußballaufkleber gekauft und neue Fahrräder. Er war gut in der Schule, weißt du? Na ja! Nicht der Klassenbeste, aber er kam gut mit. Und dann ist sie noch mal zurückgekommen, und wir dachten, es wäre gut, wenn er ginge. Daß eine komische Mutter immer noch besser wäre als gar keine. Daß er einen Vater hätte, einen kleinen Bruder, daß es kein Leben wäre, in einem halb ausgestorbenen Dorf aufzuwachsen, und daß es für seine Ausbildung besser wäre, in der Stadt zu wohnen. Wie sind wir ihr noch mal auf den Leim gegangen. Wie Anfänger. Wie richtige Dorftrottel. Den Rest kennst du: Sie hat ihm das Rückgrat gebrochen und ihn dann in den Direktzug um 16.12 Uhr gesetzt.«
    »Und Sie haben nie wieder von ihr gehört?«
    »Nein. Außer im Traum. Im Traum sehe ich sie oft. Sie lacht. Sie ist hübsch. Zeig mir, was du gemalt hast.«
    »Nichts. Ihre Hand auf dem Tisch.«
    »Warum läßt du mich so viel schwätzen? Warum interessiert dich das alles?«
    »Ich mag es gern, wenn Menschen sich öffnen.«
    »Warum?«
    »Ich weiß nicht. Das ist doch fast wie ein Selbstporträt, oder? Ein Selbstporträt in Worten.«
    »Und du?«
    »Ich kann nicht gut erzählen.«
    »Aber es ist auch nicht normal, die ganze Zeit mit einer alten Frau wie mir zu verbringen.«
    »Tatsächlich? Sie wissen also, was normal ist?«
    »Du solltest ausgehen. Andere Menschen sehen. Junge Leute in deinem Alter! Los, nimm mal den Deckel dort hoch. Hast du die Pilze gewaschen?«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    6
     
     
     
    »Schläft sie?« fragte Franck.
    »Ich glaube, ja.«
    »Übrigens, die Concierge hat mich grade angehauen, du sollst unbedingt zu ihr kommen.«
    »Haben wir wieder was ausgefressen, mit dem Müll?«
    »Nein. Es geht um den Typen, den du oben einquartiert hast.«
    »Ach, du Scheiße. Hat er was verbrochen?«
    Er zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    7
     
     
     
    Pikou bellte sich die Seele aus dem Leib, Madame Perreira öffnete ihre Glastür und legte die Hand auf die Brust.
    »Kommen Sie, kommen Sie. Setzen Sie sich.«
    »Was ist los?«
    »Setzen Sie sich, sage ich.«
    Camille

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