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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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sich auf. »Sowieso hast du überhaupt noch nie was kapiert! Du reißt nur immer die Klappe auf, damit keiner merkt, daß du nix kapierst! Damit gehst du bloß allen schon immer auf den Zeiger! Du tust mir leid. Wenn sie mit mir spricht, versteh ich die Hälfte der Wörter nicht, klar? Neben ihr komm ich mir ganz mickrig vor. Wenn du wüßtest, was sie schon alles durchgemacht hat. Scheiße, ich bring’s nicht. Ich glaub, ich laß es lieber.«
    Sein Kumpel war beleidigt.
    »Was denn?« brummte Franck.
    »Zu garstig.«
    »Ich hab mich verändert.«
    »Ach was. Du bist nur müde.«
    »Ich bin seit zwanzig Jahren müde.«
    »Was hat sie durchgemacht?«
    »Nur Scheiße.«
    »Das ist doch perfekt! Brauchst du ihr nur was andres zu bieten!«
    »Was denn?«
    »He! Machst du das extra oder was?«
    »Nein.«
    »Doch. Du machst das extra, damit ich Mitleid hab. Denk doch mal nach. Ich bin sicher, du kommst drauf.«
    »Ich hab Angst.«
    »Gutes Zeichen.«
    »Ja, aber wenn ich mich …«
    Die Wirtin räkelte sich.
    »Meine Herren, das Brot ist da. Wer will ein Sandwich? Der junge Mann?«
    »Danke, es geht auch ohne.«
    Ja, es würde auch ohne gehen.
    Gegen die Wand oder sonstwohin.
    Wir werden sehen.
     
    Der Markt wurde gerade aufgebaut. Franck kaufte Blumen von einem Lastwagen herunter, hast du’s passend, Junge? und drückte sie in seiner Jacke platt.
     
    Blumen waren kein schlechter Anfang, oder?
    Hast du’s passend, Junge? Und ob, Alte! Und ob!
     
    Und zum ersten Mal in seinem Leben fuhr er bei Sonnenaufgang Richtung Paris.
     
    Philibert duschte gerade. Er brachte Paulette das Frühstück und drückte ihr seinen Stoppelbart auf die Hängebäckchen:
    »Na, Omi, geht’s dir nicht gut?«
    »Du bist ja völlig durchgefroren? Wo kommst du denn her?«
    »Och«, sagte er und richtete sich auf.
     
    Sein Pulli stank nach Mimosen. In Ermangelung einer Vase schnitt er mit dem Brotmesser eine Plastikflasche zurecht.
    »He, Philou?«
    »Sekunde, ich dosiere gerade mein Nesquick. Stellst du uns noch eine Einkaufsliste zusammen?«
    »Ja. Wie schreibt man noch mal Riwjera?«
    »Mit v und zwei i.«
    »Danke.«
    Mimosen wie an der Riwjcra  … Riviera. Er faltete seine Nachricht und plazierte sie mitsamt Vase neben der Schnecke.
     
    Er rasierte sich.
    »Wo waren wir noch mal?« fragte der andere, von neuem im Spiegel.
    »Schon gut. Ich krieg das irgendwie hin.«
    »Na gut … dann viel Glück!«
     
    Franck verzog das Gesicht.
    Wegen des After-shaves.
     
    Er kam zehn Minuten zu spät, die Versammlung hatte bereits begonnen.
    »Da ist ja unser Charmeur«, verkündete der Chef.
    Lächelnd nahm er Platz.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    19
     
     
     
    Wie jedesmal, wenn er erschöpft war, verbrannte er sich gründlich. Sein Gehilfe bestand darauf, ihn zu verbinden, und schließlich hielt er ihm schweigend den Arm hin. Keine Kraft, zu jammern oder Schmerz zu empfinden. Apparat durchgeknallt. Außer Betrieb, außer Gebrauch, außer Gefecht, außer allem.
     
    Völlig benommen kehrte er zurück, stellte den Wecker, um nicht bis zum Morgen zu schlafen, zog sich, ohne die Schnürsenkel zu lösen, die Schuhe aus, ließ sich aufs Bett fallen und streckte die Arme zur Seite aus. Ja, jetzt tat seine Hand wieder weh, und er unterdrückte einen Schmerzenslaut, bevor er wegsackte.
     
    Er schlief schon über eine Stunde, als Camille – so leicht, das konnte nur sie sein – ihn im Traum heimsuchte.
     
    Leider konnte er nicht sehen, ob sie nackt war. Sie lag auf ihm. Oberschenkel auf Oberschenkel, Bauch auf Bauch und Schulter auf Schulter.
    Sie hatte ihren Mund an sein Ohr gedrückt und flüsterte:
    »Lestafier, ich werde dich vergewaltigen.«
    Er lächelte im Schlaf. Zum einen, weil es ein herrliches Delirium war, und zum anderen, weil ihr Atem ihn jenseits aller Abgründe kitzelte.
    »Ja, bringen wir es hinter uns. Ich werde dich vergewaltigen, damit ich einen guten Grund habe, dich in die Arme zu schließen. Jetzt rühr dich vor allem nicht. Wenn du dich wehrst, erdrossle ich dich, mein Junge.«
     
    Er wollte alles zusammenpacken, seinen Körper, seine Hände und sein Bettzeug, um sicherzustellen, daß er nicht wach wurde, aber jemand hatte ihn an den Handgelenken gepackt.
     
    Am Schmerz konnte er erkennen, daß er nicht träumte, und weil er litt, erkannte er sein Glück.
     
    Als sie ihre Hände auf seine legte, spürte Camille die Mullbinde: »Hast du Schmerzen?«
    »Ja.«
    »Um so besser.«
     
    Und sie fing

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