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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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an sich zu bewegen.
    Er auch.
    »Tz tz«, sie wurde ärgerlich, »laß mich machen.«
    Sie spuckte ein Stück Plastik aus, stülpte es ihm über, schmiegte sich an seinen Hals, auch noch etwas tiefer und umfaßte mit den Händen sein Kreuz.
    Nach einigem lautlosen Vor und Zurück packte sie ihn an den Schultern, straffte sich und stöhnte, so kurz, daß man es nicht hätte schreiben können.
    »Schon?« fragte er ein wenig enttäuscht.
    »Ja.«
    »Oh.«
    »Ich war zu hungrig.«
    Franck verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken.
    »Pardon«, fügte sie hinzu.
    »Die Entschuldigung gilt nicht, junge Frau. Ich werde Anzeige erstatten.«
    »Gern.«
    »Nein, nicht sofort. Ich fühl mich grad zu gut. Beweg dich nicht, bitte. Oh, Scheiße.«
    »Was denn?«
    »Ich schmier dich grad mit Wundsalbe voll.«
    »Um so besser«, lächelte sie, das konnte nicht schaden.
    Franck schloß die Augen. Er hatte gerade das große Los gezogen. Eine zärtliche, intelligente, schelmische Frau. Ach, Gottlob. Es war zu schön, um wahr zu sein.
     
    Ein wenig klebrig, ein wenig schmierig schliefen sie beide ein, unter einer Decke, die nach Ausschweifung und Vernarbung roch.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    20
     
     
     
    Als sie aufstand, um nach Paulette zu schauen, trat Camille auf seinen Wecker und zog den Stecker. Niemand wagte ihn zu wecken. Weder die zerstreute Hausgemeinschaft noch sein Chef, der ohne zu murren seinen Posten einnahm. Was mußte er leiden, der Arme.
     
    Um zwei Uhr nachts kam er aus seinem Zimmer und klopfte an die hinterste Tür.
    Er kniete sich neben ihre Matratze.
    Sie las.
     
    »Hm … Hm.«
    Sie senkte die Zeitung, hob den Kopf und tat erstaunt:
    »Ja, bitte?«
    »Tja, Herr Wachtmeister, ich … ich möchte Anzeige erstatten.«
    »Wurde Ihnen etwas gestohlen?«
    He ho, langsam! Ganz ruhig jetzt! Er würde nicht »mein Herz« oder so was in der Richtung antworten.
    »Na ja … eh … Gestern ist jemand bei mir eingedrungen.«
    »So?«
    »Ja.«
    »Waren Sie dabei?«
    »Ich schlief.«
    »Haben Sie etwas gesehen?«
    »Nein.«
    »Wie ärgerlich. Sind Sie wenigstens gut versichert?«
    »Nein«, antwortete er betreten.
    Sie seufzte:
    »Das ist nun wirklich eine sehr vage Aussage. Ich weiß, diese Dinge sind nicht sehr angenehm, aber … Wissen Sie … Am besten wäre es, wir würden den Tathergang noch einmal rekonstruieren.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja sicher.«
    Mit einem Satz war er auf ihr. Sie japste.
     
    »Auch ich habe Hunger, auch ich! Ich habe seit gestern abend nichts mehr gegessen, und du wirst es ausbaden, Mary Poppins. Verflucht, wie lange das hier drin schon blubbert. Ich kann mich kaum beherrschen.«
     
    Er verschlang sie vom Kopf bis zu den Füßen.
    Zuerst machte er sich über ihre Sommersprossen her, dann knabberte, pickte, knusperte, leckte, verschlang, mampfte, futterte, biß und nagte er sie ab bis auf die Knochen. Unterwegs kam sie auf den Geschmack und zahlte es ihm heim.
     
    Sie wagten nicht, einander anzusprechen oder gar anzuschauen.
    Camille war betrübt.
    »Was ist los?« fragte er beunruhigt.
    »Ach je, der Herr. Ich weiß, es ist sehr ungeschickt, aber ich brauchte einen Durchschlag für unser Archiv und habe vergessen, Kohlepapier einzulegen. Wir werden wohl noch mal von vorn anfangen müssen.«
    »Jetzt??«
    »Nein. Nicht jetzt. Aber zu lange sollten wir nicht warten. Mitunter vergißt man dann gewisse Details.«
    »Gut. Und Sie glauben, daß ich eine Entschädigung erhalte?«
    »Das würde mich wundern.«
    »Er hat alles mitgenommen, wissen Sie.«
    »Alles?«
    »Fast alles.«
    »Das ist hart.«
     
    Camille lag auf dem Bauch, das Kinn auf die Hände gestützt.
    »Du bist schön.«
    »Hör auf«, gab sie zurück und vergrub ihr Gesicht in der Armbeuge.
    »Nein, hast recht, du bist nicht schön, du bist … Wie soll ich sagen … Lebendig. Alles an dir ist lebendig: deine Haare, deine Augen, deine Ohren, deine kleine Nase, dein großer Mund, deine Hände, dein göttlicher Po, deine langen Beine, deine Grimassen, deine Stimme, deine Zärtlichkeit, dein Schweigen, dein … deine …«
    »Mein Organismus?«
    »Jaaa.«
    »Ich bin nicht schön, aber mein Organismus ist schön lebendig. Super Aussage. Das hat mir ja noch nie jemand gesagt.«
    »Dreh mir nicht die Wörter im Mund rum«, sagte er düster, »das ist zu leicht für dich. Hm.«
    »Was?«
    »Ich hab noch mehr Hunger als vorhin. Ich muß jetzt wirklich was

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