Zusammen ist man weniger allein
essen.«
»Ah … gut … bis denn … Lebewohl, wie man so schön sagt.«
Er wurde panisch:
»Willst du … nicht, daß ich dir was mitbringe?«
»Was bietest du mir denn an?« fragte sie und räkelte sich.
»Was du willst.«
Dann, nach kurzer Überlegung:
»… Nichts. Alles …«
»Okay. Das nehm ich.«
Er saß an der Wand, das Tablett auf den Knien, machte eine Flasche auf und hielt ihr ein Glas hin. Sie legte ihr Heft weg.
Sie prosteten sich zu.
»Auf die Zukunft.«
»Nein. Keinesfalls. Auf jetzt«, verbesserte sie ihn.
Autsch.
»Die Zukunft. Hm … Willst … willst du …«
Sie sah ihm fest in die Augen:
»Franck, mach mir keine Angst, wir werden uns doch jetzt nicht verlieben?«
Er tat, als hätte er sich verschluckt.
»Am, orrgl, argh. Bist du verrückt? Natürlich nicht!«
»Uff! Hast du mir einen Schrecken eingejagt. Wir zwei haben schon so viele Dummheiten gemacht.«
»Du sagst es. Wobei, eine mehr oder weniger …?«
»Och, warum nicht?«
»So?«
»Ja. Laß uns vögeln, saufen, Spazierengehen, Händchen halten, nimm mich zärtlich und laß mich über dich hinwegfegen, wenn du willst. Aber nicht verlieben. Bitte.«
»Gut, gut. Ist notiert.«
»Malst du mich?«
»Ja.«
»Wie malst du mich?«
»Wie ich dich sehe.«
»Seh ich gut aus?«
»Mir gefällst du.«
Er wischte seinen Teller mit Brot auf, stellte sein Glas ab und ließ die behördlichen Schikanen über sich ergehen.
Diesmal ließen sie sich Zeit, und nachdem sich jeder auf seine Seite gerollt hatte, gesättigt und am Rande des Abgrunds, wandte sich Franck an die Zimmerdecke:
»Ist gut, Camille, ich werde dich niemals lieben.«
»Danke, Franck. Ich auch nicht.«
TEIL 5
1
Alles blieb beim alten, alles änderte sich. Franck verlor seinen Appetit, Camille bekam wieder Farbe. Paris wurde schöner, heller, fröhlicher. Die Menschen waren heiterer, der Asphalt elastischer. Alles schien in Reichweite, die Konturen der Welt waren klarer und die Welt leichter.
Mikroklima auf dem Champ-de-Mars? Erwärmung ihres Planeten? Einstweiliges Ende der Schwerelosigkeit? Nichts war mehr sinnig, nichts war mehr wichtig.
Sie pendelten vom Bett des einen zur Matratze der anderen, lagen wie auf Eiern, sagten sich Zärtlichkeiten und streichelten einander dabei den Rücken. Da sie sich voreinander nicht ausziehen wollten, waren sie etwas linkisch, etwas unbeholfen und bedeckten sich schamhaft mit dem Laken, bevor sie ihren Ausschweifungen nachgingen.
Neue Lehrzeit oder erste Bleistiftskizze? Sie waren aufmerksam und strengten sich im stillen an.
Pikou legte die Jacke ab, und Madame Perreira stellte die Blumentöpfe raus. Für die Wellensittiche war es noch zu früh.
»Klopf, klopf, klopf«, machte sie eines Morgens, »ich habe was für Sie.«
Der Brief war in Côtes-d’Armor abgestempelt worden.
10. September 1889. Anführungsstriche. Was mir in der Kehle saß, ist im Begriff, sich aufzulösen, ich habe noch etwas Mühe beim Essen, aber allmählich geht es wieder besser. Abführungsstriche. Danke.
Als sie die Karte umdrehte, erkannte Camille Van Goghs fiebriges Gesicht.
Sie steckte sie in ihr Heft.
Der Monoprix hatte das Nachsehen. Dank der drei Bücher, die Philibert ihnen geschenkt hatte, Das verborgene, unbekannte Paris, 300 Pariser Fassaden für Neugierige und Die Pariser Teehäuser , kam frischer Wind auf, öffnete Camille die Augen und redete nicht mehr schlecht über ihr Viertel, in dem der Jugendstil unter freiem Himmel zu besichtigen war.
Von nun an kutschierten sie von den russischen Isbi am Boulevard Beauséjour zur Rue de la Mouzaïa am Park Buttes-Chaumont, kamen am Hôtel du Nord vorbei und dem Friedhof Saint-Vincent, wo sie mit Maurice Utrillo und Eugène Boudin auf dem Grab von Marcel Aymé picknickten.
Théophile Alexandre Steinlen, Maler, wunderschöne Darstellungen von Katzen und menschlichem Elend, ruht unter einem Baum im südöstlichen Teil des Friedhofs.
Camille legte den Reiseführer auf den Schoß und wiederholte:
Wunderschöne Darstellungen von Katzen und menschlichem Elend, ruht unter einem Baum im südöstlichen Teil des Friedhofs. Eine schöne Beschreibung, oder?
»Warum nimmst du mich immer mit zu den
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