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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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Toten?«
    »Pardon?«
    »…«
    »Wohin möchten Sie denn gehen, liebe Paulette? In die Disco?«
    »…«
    »Hallo! Paulette?«
    »Laß uns nach Hause gehen. Ich bin müde.«
     
    Und auch dieses Mal endeten sie wieder in einem Taxi, dessen Fahrer wegen des Rollis eine Flappe zog.
    Ein wahrer Idiotendetektor war das.
     
    Sie war müde.
    Wurde immer müder und immer schwerer.
    Camille wollte es sich nicht eingestehen, aber sie mußte beständig auf sie einwirken und mit ihr kämpfen, um sie anziehen und füttern zu dürfen und zu einer Unterhaltung zu bewegen. Noch nicht mal zu einer Unterhaltung, zu einer Antwort. Der alte Dickschädel wollte nicht zum Arzt, und die junge Nachgiebige wollte sich nicht über ihren Willen hinwegsetzen, zum einen war es nicht ihre Art, zum anderen war es Francks Aufgabe, sie zu überzeugen. Aber wenn sie in die Bibliothek gingen, vertiefte sie sich in medizinische Zeitschriften und Fachbücher und las deprimierendes Zeug über die Degeneration des Kleinhirns und andere Alzheimersche Unerfreulichkeiten. Anschließend stellte sie diese Pandorabüchsen seufzend wieder weg und faßte schlechte Vorsätze: Wenn sie sich nicht waschen ließ, wenn sie sich heute für nichts interessierte, wenn sie ihren Teller nicht aufessen wollte und wenn sie zum Spazierengehen lieber den Mantel über ihren Morgenrock zog, so war das letztendlich ihr gutes Recht. Ihr unveräußerliches Recht. Sie würde sie damit nicht nerven, und wer sich daran störte, brauchte sie nur auf ihre Vergangenheit anzusprechen, auf ihre Mutter, die Abende bei der Weinlese, auf den Tag, an dem der Herr Pfarrer beinahe in der Louère ertrunken wäre, weil er das Netz ein wenig zu schnell ausgeworfen und es sich in einem Knopf seiner Soutane verfangen hatte, oder aber auf ihren Garten, um das Leuchten in ihre trüben Augen zurückzuholen. Camille jedenfalls hatte noch nichts Besseres gefunden.
    »Und als Salat, was haben Sie da genommen?«
    »Margeriten und Schnittsalat.«
    »Und als Karotten?«
    »Pastinaken, natürlich.«
    »Und als Spinat?«
    »Oh, als Spinat. Mangold. Der war ziemlich ergiebig.«
    »Aber wie können Sie sich bloß an all die Pflanzen erinnern?«
    »Ich erinnere mich sogar an die Verpackungen. Ich habe jeden Abend im Gartenkatalog von Vilmorin geblättert, wie andere ihr Meßbuch traktierten. Das habe ich geliebt. Mein Mann träumte von Patronentaschen, wenn er seine Jagdhefte las, und ich hatte ein Faible für Pflanzen. Die Leute kamen von weither, um meinen Garten zu bewundern, weißt du?«
     
    Sie setzte sie ins Licht und malte sie, während sie ihr lauschte.
    Und je mehr sie sie malte, um so mehr liebte sie sie.
     
    Hätte sie stärker gekämpft, um sich auf den Beinen zu halten, wenn der Rollstuhl nicht gewesen wäre? Hatte Camille sie infantilisiert, indem sie sie ständig bat, sich hinzusetzen, damit sie schneller vorwärts kamen? Vielleicht.
    Sei’s drum. Was sie miteinander erlebten, all die Blicke, all die gedrückten Hände, während das Leben bei der geringsten Erinnerung zerbröselte, konnte ihnen kein Mensch mehr nehmen. Weder Franck noch Philibert, die meilenweit davon entfernt waren, das Irrationale an ihrer Freundschaft zu erfassen, noch die Ärzte, die noch nie einen Menschen davon abgehalten hatten, an den Strand zurückzukehren, acht Jahre alt zu sein und heulend »Herr Pfarrer! Herr Pfarrer!« zu schreien, da ein ertrunkener Pfarrer für alle seine Meßdiener der direkte Weg in die Hölle bedeutete.
    »Ich habe ihm meinen Rosenkranz zugeworfen, als ob ihm das geholfen hätte, dem armen Mann. Ich glaube, an dem Tag habe ich angefangen, meinen Glauben zu verlieren, denn anstatt Gott anzuflehen, hat er nach seiner Mutter gerufen. Das fand ich verdächtig.«
     
     
     
     
    2
     
     
     
    »Franck?«
    »Mmm.«
    »Ich mache mir Sorgen um Paulette.«
    »Ich weiß.«
    »Was sollen wir tun? Sie zum Arzt schleifen?«
    »Ich glaube, ich verkaufe mein Motorrad.«
    »Na toll. Dir ist scheißegal, was ich erzähle.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    3
     
     
     
    Er verkaufte es nicht. Er tauschte es bei seinem Grillmeister gegen einen hasenfüßigen Golf. In dieser Woche war er am Boden zerstört, hütete sich aber, es den anderen zu zeigen, und sorgte am darauffolgenden Sonntag dafür, daß sich alle drei um Paulettes Bett versammelten.
    Wie es das Schicksal wollte, war schönes Wetter.
    »Arbeitest du heute nicht?« fragte sie ihn.
    »Nöö, hab

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