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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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Séraphin Ticos schwachsinnigen Humor reinziehen mußte, hat er sich die Erstsemester reingezogen, und als wir uns wieder vertrugen, hat er mir gestanden, daß er Drogen nimmt, ja, nur so halt. Weil’s chic ist. Und darüber will ich lieber gar nicht reden.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es zu traurig war. Wie schnell dich dieses Mistzeug in die Knie zwingt, das ist erschreckend. Weil’s chic ist, von wegen, ich habe noch ein paar Monate durchgehalten, dann bin ich wieder bei meiner Mutter eingezogen. Sie hatte mich fast drei Jahre nicht gesehen, sie hat die Tür aufgemacht und gesagt: ›Nur daß du’s weißt, ich hab nichts zu essen im Haus.‹ Ich bin in Tränen ausgebrochen und habe zwei Monate lang das Bett nicht verlassen. Zu dem Zeitpunkt war sie ausnahmsweise mal clean. Sie war die richtige, um mich da rauszuholen, wirst du sagen. Und als ich das erste Mal aufstand, bin ich wieder arbeiten gegangen. Damals habe ich mich nur von Brei und kleinen Gläschen ernährt. Doktor Freud läßt grüßen! Nach dem CinemaScope Dolby Stereo, mit Ton, Licht und Emotionen aller Art gab es wieder ein Leben in Schwarzweiß und Kleinformat. Ich habe ferngesehen, und an den Quais wurde mir immer schwindlig.«
    »Hast du daran gedacht …?«
    »Ja. Ich habe mir vorgestellt, wie mein Geist zu den Klängen von Tornami a vagheggiar, Te solo vuol amar … zum Himmel auffährt … und mein Vater mich lachend mit ausgebreiteten Armen empfängt: ›Ah! Da sind Sie ja endlich, Mademoiselle! Sie werden sehen, hier ist es noch schöner als an der Riviera.‹«
    Sie weinte.
    »Nein, nicht weinen …«
    »Doch. Mir ist danach.«
    »Gut, dann wein halt.«
    »Du bist nicht so kompliziert, das ist gut …«
    »Stimmt. Ich hab zwar viele Macken, aber kompliziert bin ich nicht. Sollen wir aufhören?«
    »Nein.«
    »Willst du was trinken? Eine heiße Milch mit Orangenblüten, wie Paulette sie mir immer gemacht hat?«
    »Nein, danke. Wo war ich stehengeblieben?«
    »Schwindelgefühle.«
    »Ja, Schwindelgefühle. Ehrlich gesagt hätte man mir nur auf den Rücken schnipsen müssen, und ich wäre umgefallen, aber statt dessen trug der Zufall schwarze Handschuhe aus zartem Ziegenleder und klopfte mir eines Morgens auf die Schulter. An diesem Tag vertrieb ich mir die Zeit mit Watteaus Figuren und saß vornübergebeugt auf einem Stuhl, als ein Mann hinter mir vorbeiging. Ich sah ihn oft. Er scharwenzelte immer um Studenten herum und betrachtete heimlich ihre Zeichnungen. Ich hielt ihn für einen Aufreißer, wobei mir seine sexuellen Neigungen unklar waren. Ich sah ihn mit der Jugend schäkern, die sich geschmeichelt fühlte, und bewunderte sein Gebaren. Er trug immer herrliche Mäntel, sehr lang, maßgeschneiderte Anzüge, Seidentücher und Seidenschals. Ich hatte gerade meine kleine Pause, saß deshalb über mein Heft gebeugt und sah nur seine wunderschönen Schuhe, sehr elegant und blitzblank. ›Darf iesch Ihnen eine persönliche Frage stellen, Mademoiselle? Aben Sie eiserne Moralvorstellungen?‹ Ich fragte mich natürlich, wohin er wollte. Ins Hotel? Aber gut. Hatte ich eiserne Moralvorstellungen? Ich, die ich Séraphin Tico bestach und davon träumte, das Werk Gottes zunichte zu machen? ›Nein‹, antwortete ich, und dank dieser kleinen anmaßenden Erwiderung bin ich in den nächsten Schlamassel geschlittert … ein exorbitanter diesmal …«
    »Was für einer?«
    »Ein unsäglicher Schlamassel.«
    »Was hast du gemacht?«
    »Das gleiche wie vorher. Aber statt in einem besetzten Haus zu wohnen und die Dienstmagd eines Tobsüchtigen zu sein, wurde ich die eines Betrügers.«
    »Hast du … hast du dich …«
    »Prostituiert? Nein. Obwohl …«
    »Was hast du gemacht?«
    »Fälschungen.«
    »Geld?«
    »Nein, Bilder. Und das Schlimmste, es hat mir sogar Spaß gemacht! Am Anfang jedenfalls. Später grenzte dieser Spaß an Sklaverei, aber am Anfang war es total witzig. Wo ich einmal zu was nütze war! Ich sag dir, ich hab in einem unglaublichen Luxus gelebt. Nichts war zu schön für mich. Mir war kalt? Er schenkte mir die besten Kaschmirpullis. Du weißt doch, der dicke blaue Pullover mit der Kapuze, den ich ständig anhabe?«
    »Jaa.«
    »Elftausend Franc.«
    »Neeee!«
    »Dooooch. Und ich hatte gut ein Dutzend davon. Ich hatte Hunger? Pling pling, Room Service und Hummer in rauhen Mengen. Ich hatte Durst? Ma qué, Champagne! Ich langweilte mich? Theater, Shopping, Musik! ›Was iemmer du wiellst, sag es deinem Vittorio. Wenn du gehst,

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