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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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junge Mann im gelben Poloshirt wäre bestimmt in der Lage, ihr zu helfen:
    »Es zieht von draußen rein, sagen Sie?«
    »Ja.«
    »Ist es ein Velux-Fenster?«
    »Nein, ein Oberlicht.«
    »Diese Dinger gibt’s noch?«
    »Leider.«
    »Hier haben Sie, was Sie brauchen.«
    Er hielt ihr eine Rolle Dichtungsband zum Festnageln hin, speziell zum Abdichten von Fenstern gedacht, aus ummanteltem Schaumstoff, haltbar, abwaschbar und luftundurchlässig. Eine wahre Freude.
    »Haben Sie einen Tacker?«
    »Nein.«
    »Einen Hammer? Nägel?«
    »Nein.«
     
    Wie ein kleiner Hund folgte sie ihm durch den Laden, während er ihren Korb füllte.
     
    »Und zum Heizen?«
    »Was haben Sie zur Zeit?«
    »Einen Elektroofen, der nachts durchbrennt und außerdem stinkt!«
     
    Er nahm seine Rolle sehr ernst und hielt ihr einen ganzen Vortrag. In schulmeisterlichem Ton pries, beurteilte und verglich er die Vorzüge von Ventilatoren, Heizstrahlern, Infrarotgeräten, Keramikheizkörpern, Ölradiatoren und Konvektoren. Davon bekam sie einen Drehwurm.
    »Und was nehme ich jetzt?«
    »Tja, da müssen Sie mal sehen.«
    »Aber, das ist es ja. Ich sehe gar nichts.«
    »Nehmen Sie einen Ölradiator, der ist nicht so teuer und heizt gut. Der Oléo von Calor ist nicht schlecht.«
    »Hat er Rollen?«
    »Eh …« er zögerte und überflog die technischen Daten. » Mechanischer Thermostat, aufwickelbare Geräteschnur, einstellbare Leistung, integrierter Luftbefeuchter, blablabla, Rollen! Ja, Mademoiselle!«
    »Super. Dann kann ich ihn zu mir ans Bett stellen.«
    »Hm … Wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf. Wissen Sie, ein Mann ist auch nicht schlecht. Im Bett wärmt er ganz schön.«
    »Ja, aber er hat keine aufwickelbare Geräteschnur …«
    »Das wohl nicht.«
    Er lächelte.
     
    Als er sie wegen des Garantiescheins zur Kasse begleitete, sah sie einen künstlichen Kamin mit künstlicher Glut, künstlichen Holzscheiten, künstlichen Flammen und künstlichem Feuerbock.
    »Oh! Und das hier? Was ist das?«
    »Ein elektrischer Kamin, aber ich rate Ihnen davon ab, das ist der reinste Schwindel.«
    »Doch, doch! Zeigen Sie ihn mir!«
     
    Es war ein Sherbone , ein englisches Modell. Nur die Engländer konnten so ein häßliches, kitschiges Teil erfinden. Je nach Heizleistung (1000 oder 2000 Watt) stiegen die Flammen höher oder weniger hoch. Camille war im siebten Himmel:
    »Genial, man könnte meinen, der sei echt!«
    »Haben Sie den Preis gesehen?«
    »Nein.«
    »532 Euro, der reinste Schwachsinn. Eine alberne Spielerei. Lassen Sie sich nicht foppen.«
    »In Euros kapiere ich sowieso nichts.«
    »Das ist nicht so schwer, gehen Sie von 3500 Franc aus für ein Teil, das Ihnen weniger Wärme liefert als der Calor zu knapp 600 Franc.«
    »Ich nehme ihn.«
     
    Der junge Mann hatte sehr viel gesunden Menschenverstand, und unsere Zikade schloß die Augen, als sie ihm die Kreditkarte hinhielt. Wo sie schon dabei war, gönnte sie sich noch den Lieferdienst. Als sie angab, daß sie im siebten Stock wohne, ohne Fahrstuhl, sah die Dame sie schief an und teilte ihr mit, das koste zehn Euro extra.
    »Kein Problem«, antwortete sie und kniff die Pobacken zusammen.
    Er hatte recht. Es war der reinste Schwachsinn.
     
    Ja, es war der reinste Schwachsinn, aber der Ort, an dem sie wohnte, war kaum besser. Fünfzehn Quadratmeter unterm Dach, womit ihr sechs blieben, um aufrecht zu stehen, eine Matratze auf dem Boden, ein winziges Waschbecken in der Ecke, das eher an ein Pinkelbecken erinnerte und ihr als Spüle und Badezimmer diente. Ein Ständer als Kleiderschrank und zwei übereinandergestapelte Kartons als Regal. Eine Elektroplatte auf einem Campingtisch. Ein Minikühlschrank, der auch als Arbeitsplatte, als Eßzimmer und Couchtisch diente. Zwei Hocker, eine Halogenlampe, ein kleiner Spiegel und ein weiterer Karton als Küchenschrank. Was noch? Der Schottenkoffer, in dem sie das wenige ihr noch verbliebene Material eingelagert hatte, zwei Zeichenmappen und … Nein, das war alles. Das war die Grundstücksbegehung.
    Das Stehklo befand sich am Ende des Flurs rechts, und die Dusche war über dem Klo. Man brauchte bloß den zu diesem Zweck vorgesehenen schimmeligen Holzrost über das Loch zu legen.
     
    Keine Nachbarn oder aber ein Gespenst, denn sie hörte manchmal Gemurmel hinter der Tür Nr. 12. Ein Vorhängeschloß an ihrer Tür und der Name einer früheren Mieterin in schönen lila Buchstaben mit Reißzwecken am Türstock befestigt: Louise Leduc . Dienstmädchen

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