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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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Gurgel zu springen. Vor allem ihr. Er hatte sie im Visier und bedachte sie, wann immer er sie traf, mit bösen Blicken. Sie konnte noch soviel Zeit in ihrem Zimmer verbringen, manchmal streiften sie sich doch, und sie bekam einen Schwall mörderischer Schwingungen ab, die ihr je nach Laune ziemlich zusetzten oder ihr ein müdes Lächeln abrangen.
    »He, was ist los? Was grinst du so? Paßt dir meine Fresse nicht?«
    »Nein, nein. Nichts ist.«
    Und sie beeilte sich, an etwas anderes zu denken.
     
    In den Gemeinschaftsräumen war sie auf der Hut. Hinterließ den Ort genauso sauber, »wie Sie ihn beim Eintreten vorzufinden wünschen«, schloß sich im Badezimmer ein, wenn er nicht da war, versteckte all ihre Toilettenartikel, wischte lieber zweimal als gar nicht über den Küchentisch, leerte ihren Aschenbecher in eine Plastiktüte, die sie sorgfältig verknotete, bevor sie sie in den Mülleimer warf, versuchte, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten, machte sich so klein es eben ging, wich den Schlägen aus und fragte sich schließlich, ob sie nicht früher als vorgesehen wieder ausziehen sollte.
    Sollte sie frieren, egal, sie würde mit diesem Blödmann nicht mehr aneinandergeraten, das zählte.
     
    Philibert war betrübt:
    »Aber Ca… Camille … Sie sind vi… viel zu intelligent, um sich von diesem u… ungehobelten Burschen beeindrucken zu la… lassen, wirklich … Sie … Sie stehen doch über der… derlei Dingen.«
    »Eben nicht. Ich befinde mich auf exakt demselben Niveau. Deshalb kriege ich es mitten ins Gesicht.«
    »Nein, nein! Überhaupt nicht! Sie beide kann man doch nicht in einem Atemzug nennen! Ha… haben Sie schon einmal seine Schrift gesehen? Haben Sie ihn schon einmal lachen hören, wenn er die plumpen Witze die… dieses minderbemittelten Fernsehunterhalters hört? Haben Sie ihn schon einmal etwas anderes lesen sehen als die Preisliste für gebrauchte Motorräder? Wa… warten Sie, der Junge ist doch auf dem geistigen Stand eines Zweijährigen! Er kann nichts dafür, der A… Arme. I… ich stelle mir vor, daß er als kleines Kind in eine Küche gekommen ist und seitdem nie wieder heraus. Kommen Sie, betrachten Sie die Dinge mit etwas A… Abstand. Seien Sie nachsichtiger, ›co… cooler‹, wie Sie sagen würden.«
    »…«
    »Wissen Sie, was meine Mutter zu mir gesagt hat, als ich es wagte, ihr gegenüber … widerstrebend auch nur ein Viertel der Hälfte der schrecklichen Dinge anzudeuten, die meine Stubenkameraden mir a… angetan haben?«
    »Nein.«
    »›Sie müssen lernen, mein Sohn, daß der Speichel der Kröte die weiße Taube nicht erreicht.‹ Das hat sie zu mir gesagt.«
    »Und hat Sie das getröstet?«
    »Überhaupt nicht! Im Gegenteil!«
    »Sehen Sie …«
    »Ja, aber bei Ihnen ist es nicht das g… gleiche. Sie sind nicht mehr zwölf. Und außerdem geht es nicht darum, die Pisse eines kleinen Ro… Rotzbengels zu trinken.«
    »Hat man Sie dazu gezwungen?«
    »Leider.«
    »Tja, dann verstehe ich, daß die weiße Taube …«
    »Wie Sie sagen, die weiße Tau… Taube ist nie du… durchgekommen. Außerdem spüre ich … ich sie immer noch hier«, scherzte er gequält und zeigte auf seinen Adamsapfel.
    »Ja … Schauen wir mal.«
    »Und außerdem, die Wahrheit ist ganz einfach, und Sie kennen sie ebensogut wie ich: Er ist ei… eifersüchtig. Er platzt fast vor Eifersucht. Versetzen Sie sich in seine Lage. Er hatte die Wohnung für sich a… allein, spazierte hier herum, wann und wie er wollte, meistens in Unterhose oder hi… hinter einer kopflosen jungen Pute her. Er konnte nach Belieben brüllen, fluchen, rülpsen, und unser Kontakt beschränkte sich auf den Austausch pra… praktischer Erwägungen, wie den Zustand der Armaturen oder den Einkauf von Toilettenpapier.
    Ich habe mein Zimmer fast nie verlassen und mir Watte in die Ohren gesteckt, wenn ich mich konzentrieren mußte. Er war hier der König. So sehr, daß er nahezu den Ei… Eindruck gewinnen konnte, die Wohnung gehöre ihm in fine . Und dann kommen Sie und Rums. Nicht nur, daß er seinen Hosenlatz schließen muß, er muß noch dazu unsere Vertrautheit ertragen, hört uns mitunter lachen und fängt Bru… Bruchstücke unserer Unterhaltungen auf, von denen er nicht viel verstehen wird. Das muß ha… hart für ihn sein, meinen Sie nicht?«
    »Ich hatte nicht das Gefühl, so viel Raum einzunehmen.«
    »Nein, Sie … Sie sind im Gegenteil sehr zurückhaltend, aber wenn ich Ihnen etwas sagen soll, da…

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