Zusammen ist man weniger allein
klapprigen Armen. Der eine mit einem Schlauch in der Nase, der andere, der in seiner Ecke vor sich hinheulte, und die Frau, die so zusammengekauert in ihrem Rollstuhl saß, als hätte sie gerade einen Wundstarrkrampf. Man konnte ihre Strumpfhalter und ihre Windel sehen.
Und diese Hitze, verdammt! Warum machten sie nicht die Fenster auf? Damit die Alten schneller abkratzten?
Als er das nächste Mal kam, hatte er seinen Helm bis zu Zimmer 87 aufbehalten, um all das nicht mehr sehen zu müssen, doch eine Krankenschwester hatte ihn erwischt und ihn aufgefordert, ihn umgehend abzusetzen, weil er ihre Schützlinge erschrecke.
Seine Oma hatte sich geweigert, mit ihm zu sprechen, jedoch seinen Blick gesucht, um ihm zu trotzen und ein schlechtes Gewissen zu bereiten: »Na? Bist du stolz auf dich, Kleiner? Antworte mir. Bist du stolz auf dich?« Das wiederholte sie stumm, während er die Gardinen hochhob, um nach seinem Motorrad zu sehen.
Er war zu aufgewühlt, um schlafen zu können. Er zog den Sessel näher ans Bett, suchte nach Worten, nach Sätzen, nach Anekdoten, nach irgendwelchem Stuß, den er erzählen konnte, und schaltete dann, kriegsmüde, den Fernseher ein. Er sah sie nicht an, er betrachtete die Wanduhr hinter ihr und zählte ab: In zwei Stunden mach ich die Fliege, in einer Stunde mach ich die Fliege, in zwanzig Minuten …
Diese Woche war er ausnahmsweise sonntags gekommen, weil Potelain ihn nicht brauchte. Er hatte im Eiltempo die Eingangshalle durchquert und nur mit den Achseln gezuckt, als er die neue, viel zu grelle Dekoration bemerkte und all diese armen Alten mit ihren spitzen Hüten.
»Was ist denn hier los, ist heute Karneval?« hatte er die Dame im Kittel gefragt, die mit ihm zusammen im Fahrstuhl fuhr.
»Wir proben eine kleine Aufführung für Weihnachten. Sie sind doch der Enkel von Madame Lestafier, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ihre Großmutter ist nicht sehr kooperativ.«
»So?«
»Nein. Und das ist noch freundlich ausgedrückt. Ein richtiger Sturkopf.«
»Ich dachte, so sei sie nur mit mir. Ich dachte, bei Ihnen wäre sie … hm … pflegeleichter.«
»Nein, zu uns ist sie charmant. Eine richtige Perle. Überaus liebenswürdig. Mit den anderen läuft es nicht gut. Sie will sie nicht sehen und ißt lieber nichts, als in den Gemeinschaftssaal zu gehen.«
»Wie? Sie ißt nichts?«
»Tja, wir haben schließlich nachgegeben. Sie bleibt in ihrem Zimmer.«
Da sie ihn erst am nächsten Tag erwartet hatte, wurde sie von seinem Anblick überrascht und hatte nicht mehr die Zeit, das Kostüm der gekränkten Alten überzustreifen. Ausnahmsweise lag sie nicht böse und stocksteif im Bett, sie saß am Fenster und nähte.
»Omi?«
Verflixt, sie hatte verdrießlich aussehen wollen, konnte aber nicht umhin, ihn anzulächeln.
»Siehst du dir die Landschaft an?«
Sie hatte fast Lust, ihm die Wahrheit zu sagen: Machst du dich über mich lustig? Was für eine Landschaft? Nein. Ich warte auf dich, mein Junge. Ich verbringe meine Tage mit Warten. Auch wenn ich weiß, daß du nicht kommst, bin ich da. Ich bin immer da. Weißt du, mittlerweile kann ich dein Motorrad schon von weitem hören, und ich warte, bis du deinen Helm abgesetzt hast, um ins Bett zu kriechen und dir meine Grimassensuppe zu servieren. Aber sie konnte an sich halten und begnügte sich mit einem Brummen.
Er ließ sich zu ihren Füßen nieder und lehnte sich an die Heizung.
»Alles in Ordnung?«
»Mmm.«
»Was machst du da?«
»…«
»Bist du eingeschnappt?«
»…«
Sie starrten sich eine gute Viertelstunde lang an und spielten, wer zuerst lacht, hat verloren, dann rieb er sich den Kopf, schloß die Augen, seufzte, rückte ein wenig von ihr ab, um ihr direkt gegenüberzusitzen, und hob mit monotoner Stimme an:
»Hör zu, Paulette Lestafier, hör mir gut zu:
Du hast allein in einem Haus gelebt, das du geliebt hast und ich auch. Du bist in aller Frühe aufgestanden, hast dir deinen Malzkaffee gekocht, hast ihn getrunken und dir dabei die Farbe der Wolken angeschaut, um zu wissen, wie das Wetter wird. Dann hast du deine Zöglinge gefüttert, stimmt’s? Deine Katze, die Katzen der Nachbarn, deine Rotkehlchen, deine Meisen und alle Spatzen dieser Welt. Du hast deine Gartenschere genommen und deine Blumen versorgt, bevor du dich deiner Morgentoilette gewidmet hast. Du hast dich angezogen, auf den Briefträger oder den Metzger gewartet. Den dicken Michel, diesen Gauner, der dir immer ein Beefsteak zu
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