Zwanghafte Gier
nicht wenn sie ihn behalten wollte.
Und er begann sie zu küssen. Es war der längste, innigste und zungenlastigste Kuss ihres Lebens. Und er hörte nicht auf, wollte nicht aufhören, noch nicht einmal, als sie zu stöhnen begann und versuchte, sich von ihm zu lösen. Er küsste sie einfach weiter. Frankie war Gott sei Dank nie vergewaltigt worden, doch das musste dem schon sehr nahe kommen. Für sie war es sogar noch schlimmer, als sie sich eine Vergewaltigung vorstellte, und trotzdem machte er weiter. Auch als sie zu würgen begann, hörte er nicht auf, und als sie sich wehrte, drückte er sie an die Wand, presste sich gegen ihre Beine, sodass sie nicht nach ihm treten konnte, und machte weiter und weiter ...
Und hinterher schaute er ihr zu, wie sie ins Badezimmer rannte. Er schob den Fuß in die Tür, damit sie ihn nicht aussperren konnte. Er wollte ihr zusehen, wie sie sich übergab, wollte ihr Elend und ihren Ekel sehen. Und er wartete, bis sie wieder zu ihm hinaufschauen konnte, und sagte nur ein einziges angewidertes Wort:
»Charmant.«
68
Als er am Freitagmorgen den Baumaschinen dabei zuschaute, wie sie die Fundamente des zukünftigen Altenheims in Hove aushoben, fiel Jude auf, dass ihm noch immer zwei Dinge im Kopf herumgingen: das eine willkommen, das andere weniger.
An Alex zu denken war noch immer ein Quell steter Freude für ihn. Selbst sie zu vermissen bescherte ihm ein wohliges Gefühl, denn sie zu vermissen, bedeutete, dass sie ihm tatsächlich so sehr am Herzen lag, wie er glaubte; sie zu vermissen, bedeutete, dass er ihrer Rückkehr entgegenfiebern konnte.
Dass ihm plötzlich wieder das Haus auf Winder Hill in den Sinn gekommen war, war weniger willkommen, ja sogar ärgerlich, zumal Jude noch immer nicht wusste, warum er immer wieder daran dachte. Alex’ Gefühl, dass Frankie irgendwie verängstigt wirke, hatte da auch nicht gerade geholfen; andererseits hatte das auch vorher schon an ihm genagt. Vielleicht waren es ja nur diese verdammten Risse, die ihm Sorgen bereiteten; vielleicht war es nur sein Bauarbeiterinstinkt, der ihn vor den Symptomen eines ernsten Problems warnte.
»Vergiss es einfach«, hatte Alex gesagt, als er das Thema zum letzten Mal angesprochen hatte. Sie hatten gerade im Bett gelegen, nachdem sie sich geliebt hatten, und Jude hatte es wirklich vergessen. Nun war Alex jedoch in London, was bedeutete, dass sie diese Nacht nicht da sein würde, um ihn davon abzulenken.
Und als er nach dem Mittagessen seinen Helm wieder aufsetzte, dachte er aus irgendeinem Grund, dass seine Unruhe nicht wirklich etwas mit den Rissen zu tun hatte.
Deshalb hatte er auch mehr oder weniger beschlossen, diesen Abend noch einmal nach Rottingdean zu fahren und einen Blick auf Roz Baileys Haus zu werfen – falls er dann noch die Kraft dazu hatte. Denn wie vorhergesagt war die Hitze wieder zurückgekehrt, und die Arbeit in diesem Wetter war die reinste Qual.
Mrs Bailey war eine nette Frau. Vermutlich war das ja der Grund für seine Sorge: Die Tatsache, dass er die Lady mochte, ließ ihn daran zweifeln, dass die Leute, die sie mit der Sorge um ihr Haus beauftragt hatte, nicht in der Lage waren, diesen Job zu erfüllen.
Ja, vermutlich war das der Grund dafür.
69
Hätte es an diesem Punkt aufgehört, hätte sie es überlebt, glaubt Frankie. Doch danach hatte diese schreckliche Wut in Bo getobt, diese Abscheu, dieses Verlangen, sie für das zu bestrafen, was er als persönliche Beleidigung empfand.
Das Küssen war nur ein Teil des Ganzen. Bo nahm große Mühen auf sich, um sicherzugehen, dass sie erfuhr, wann immer er mit anderen Frauen schlief und sie küsste, manchmal sogar mit Huren – obwohl Frankie sich immer wieder sagte, Letzteres könne nicht sein; sie wusste, dass er Nutten fast so sehr verabscheute wie Homosexuelle. Er sprach viel über sie – das hatte er schon immer getan. Doch nachdem er herausgefunden hatte, dass dieses schmutzige Gerede sie aufregte, sprach er noch häufiger über »Schwuchteln« und »Lesben« und das, was sie taten und wie dreckig das war. Frankie könne sich glücklich schätzen, sagte Bo, dass er nicht wie andere Männer sei und ihr den Schwanz in den Arsch stecken wolle. Darum müsse sie sich also keine Sorgen machen; er würde lieber sterben, als das zu tun.
»Abgesehen davon«, sagte er, »kann ich es mir nicht leisten, allzu wählerisch zu sein, nachdem meine eigene Frau ihr Bestes getan hat, mir einen verdammten Komplex zu verschaffen ...«
»Du hast
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