Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
denke, es gäbe für einen Edelmann nur eine Laufbahn, nämlich die der Waffen. Auch glaube ich, daß mich der Herr Graf zu dem Zwecke erzogen hat, aus mir einen Kriegsmann zu bilden, und er ließ mich hoffen, daß er mich in Paris jemandem vorstellen werde, der mich bei dem Prinzen empfehlen könnte.«
»Ja, ich sehe wohl ein, es steht für einen jungen Krieger, wie Ihr seid, recht gut, unter einem jungen Feldherrn zu dienen, wie er ist; – doch halt, wartet – persönlich stehe ich mit ihm so ziemlich schlecht ob der Streitigkeit der Frau von Montbazon, meiner Schwiegermutter, mit Frau von Longueville, allein durch den Prinzen von Marsillac – – Nun, wirklich! sehen Sie, Graf, es geht an; der Prinz ist ein alter Freund von mir; er wird unseren jungen Freund der Frau von Longueville empfehlen, diese wird ihm einen Brief für ihren Bruder, den Prinzen, geben, der sie zu aufrichtig liebt, als daß er nicht alles, was sie von ihm fordert, auf der Stelle tun würde.«
»Gut, das geht ja vortrefflich,« sprach der Graf. »Allein, darf ich es wagen, Ihnen die größte Eile anzuempfehlen? Ich habe Gründe, zu wünschen, daß der Vicomte morgen abend nicht mehr in Paris verweile.«
»Wünschen Sie, Herr Graf, daß man es in Erfahrung bringe, daß Sie sich für ihn verwenden?«
»Vielleicht wäre es für seine Zukunft ersprießlicher, daß man gar nichts davon wisse, daß er mich jemals gekannt hat.«
»Ach, Herr Graf!« rief der junge Mann.
»Du weißt wohl, Bragelonne,« versetzte der Graf, »daß ich nie etwas ohne Grund tue.«
»Ja, Herr Graf,« erwiderte der junge Mann, »ich kenne die tiefe Weisheit, die Sie leitet, und will Ihnen, wie ich es gewohnt bin, Folge leisten.«
»Wohlan, Graf,« verfetzte die Herzogin, »überlassen Sie ihn mir, ich will den Prinzen von Marsillac berufen, der eben zum Glücke in Paris verweilt, und ihn nicht eher verlassen, als bis die Sache im reinen ist.«
»Gut, Frau Herzogin, tausendfachen Dank! Ich habe noch mehrere Gänge zu tun, und wenn ich gegen sechs Uhr abends zurücklehre, erwarte ich den Vicomte im Gasthause.«
»Was tun Sie diesen Abend?«
»Wir gehen zu Scarron, für den ich einen Brief habe, und bei dem ich einen meiner Freunde finden soll.«
»Gut,« versetzte die Herzogin von Chevreuse, »ich will selbst auf einen Augenblick dahin kommen; verlassen Sie also seinen Salon nicht früher, als bis Sie mich gesehen haben.«
Athos verneigte sich und schickte sich an, fortzugehen.
»Wie doch, Herr Graf,« sprach die Herzogin lachend, »verläßt man denn seine alten Freunde auf eine so formensteife Weise?«
»Ach,« murmelte Athos, indem er ihr die Hand küßte, »hätte ich es doch früher gewußt, daß Marie Michon ein so einnehmendes Wesen sei!«
Er ging seufzend hinweg.
Die Befreiung
Herr von Beaufort, dem das Innere des Palais-Royal und die Verhältnisse der Königin und des Kardinals so gut bekannt waren, malte sich in seinem Gefängnisse den ganzen, dramatischen Auftritt aus, welcher stattfinden würde, wenn von dem Kabinett des Ministers aus bis zu den Zimmern der Königin der Ruf erschallte: »Herr von Beaufort hat sich befreit!« Während sich nun Herr von Beaufort alles das selber sagte, lächelte er sich freundlich zu, und im Wahne, daß er bereits außen die freie Luft der Ebene und Wälder einatme, ein flinkes Roß zwischen seinen Schenkeln tummle, rief er mit lauter Stimme: »Ich bin frei!« Er befand sich freilich, wenn er zu sich kam, wieder zwischen seinen vier Wänden, und erblickte nur zehn Schritte vor sich la Ramee, der seine Daumen umeinander herumschnellte, und im Vorgemach seine acht Wächter, welche lachten oder zechten. Das einzige Labsal bei diesem so verhaßten Gemälde war ihm das finstere Gesicht Grimauds, dieses Gesicht, gegen welches er anfangs eine Abscheu gefaßt hatte, und welches dann seine ganze Hoffnung geworden war. Grimaud schien ihm ein Antonious.
Wir brauchen es nicht anzuführen, daß das alles nur ein Spiel der fieberhaft aufgeregten Einbildungskraft des Gefangenen war. Grimaud war stets derselbe: somit erwarb er sich auch das volle Vertrauen seines Vorgesetzten la Ramee, der sich jetzt auf ihn noch mehr als auf sich selbst verlassen hätte; denn la Ramee fühlte, wie schon gesagt, eine große Schwäche gegen Herrn von Beaufort. Demzufolge hatte sich denn der gute la Ramee aus dem kleinen Schmaus unter vier Augen mit dem Gefangenen ein Fest gemacht. Herr la Ramee hatte nur diesen Fehler, daß er ein Gourmand war,
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