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Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Titel: Zwanzig Jahre nachher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Ältere)
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wirst das wohl eines Tages begreifen.« »Nun denn, an den König, deinen Neffen – willst du, daß ich mit ihm rede? Du weißt, liebe Mutter, wie lieb er mich hat.« »Der König, mein Neffe, ist leider noch nicht König, und wie du es weiht, da es uns Laporte zwanzigmal gesagt hat, er leidet selbst Mangel an allem.« »So wollen wir uns an Gott wenden,« sprach das junge Mädchen. Und sie kniete neben ihrer Mutter nieder.
    Diese zwei weiblichen Wesen, welche an demselben Betstühle beteten, waren die Tochter und Enkelin Heinrichs IV., die Gemahlin und Tochter Karls I. Als sie eben ihre Andacht beendeten, pochte eine Nonne leise an die Türe der Zelle. »Tretet ein, meine Schwester,« sprach die Frau, während sie ihre Tränen abtrocknete und aufstand. Die Nonne öffnete ehrerbietig die Türe. »Ew. Majestät geruhe mich gnädigst zu entschuldigen, wenn ich Ihre Andacht störe,« sagte sie, »allein es befindet sich im Sprechzimmer ein fremder Herr, der aus England kam, und um die Ehre bittet, Ew. Majestät einen Brief einhändigen zu dürfen.« »O, ein Brief, ein Brief! – vielleicht von dem Könige, Nachrichten von deinem Vater, ohne Zweifel – hörest du, Henriette?« »Ja, Mutter, ich höre und hoffe.« »Und sagt mir, wer ist dieser Herr?« »Ein Edelmann von fünfundvierzig bis fünfzig Jahren.« »Sein Name – nannte er seinen Namen?« »Mylord von Winter.« »Mylord von Winter,« rief die Königin aus, »der Freund meines Gemahls; o, laßt ihn eintreten, laßt ihn kommen!«
    Die Königin eilte dem Boten entgegen und ergriff entzückt seine Hand. Als Lord von Winter in die Zelle trat, kniete er nieder und überreichte der Königin einen Brief, in eine goldene Kapsel gerollt. »Ach, Mylord,« sprach die Königin, »Ihr überbringt uns drei Dinge, welche uns seit langem nicht vor Augen kamen. Gold, einen getreuen Freund und einen Brief von dem König, unserem Gatten und Herrn.« Winter verneigte sich abermals, doch war er so bewegt, daß er nicht antworten konnte. »Mylord,« fuhr die Königin fort, indem sie ihm den Brief zeigte, »Ihr begreift wohl, daß es mich drängt, den Inhalt dieses Schreibens zu erfahren.« »Madame, ich entferne mich,« versetzte Winter. »Nein, bleibt,« sprach die Königin, »wir wollen ihn in Eurem Beisein lesen. Begreift Ihr nicht, daß ich tausend Fragen an Euch zu richten habe?«
    Winter zog sich einige Schritte zurück und blieb dann schweigend stehen. Mutter und Tochter begaben sich nun in die Nische des Fensters und lasen begierig den folgenden Brief, während sich die Tochter auf den Arm der Mutter stützte:
    »Madame und teuere Gattin! Nun ist es mit uns aufs äußerste gekommen. Ich habe alle Hilfskräfte, die mir Gott noch gelassen hat, im Lager von Naseby zusammengezogen, von wo ich Euch in Eile schreibe. Da erwarte ich das Heer meiner aufrührerischen Untertanen, und will zum letzten Male wider sie streiten. Wenn ich siege, verlängere ich den Kampf, werde ich bestellt, bin ich ganz und gar verloren. Ich will in diesem letzteren Falle die Küsten Frankreichs zu erreichen versuchen. Allein wird man dort einen unglücklichen König aufnehmen können und wollen, der ein so gefährliches Beispiel in ein Land bringt, welches bereits durch bürgerlichen Zwiespalt in Gärung begriffen ist? Eure Weisheit und Liebe werden meine Leitsterne sein. Der Überbringer dieses Schreibens wird Euch das mitteilen, Madame, was ich der Gefahr eines Unfalls nicht anvertrauen kann. Er wird Euch bedeuten, welchen Schritt ich von Eurer Seite erwarte. Auch beauftrage ich ihn mit meinem Segen für meine Kinder, und mit all den Empfindungen und Gesinnungen meines Herzens für Euch, Madame und teure Gattin.«
    Der Brief war unterzeichnet anstatt Karl, König – Karl, noch König. »Sei er auch nicht mehr König,« rief sie, »werde er besiegt, gefangen, in die Acht erklärt, wenn er nur am Leben ist. Ach, heutzutage ist der Thron ein zu gefährlicher Sitz, als daß ich wünschte, er möchte auf demselben bleiben. Allein redet, Mylord, verhehlet mir nichts. Wie geht es mit dem Könige? Ist seine Lage so verzweifelt wie er wähnt?« »Leider, Madame, sie ist noch viel verzweifelter, als er selber glaubt. Seine Majestät hat ein so gutes Herz, daß sie den Haß nicht begreift, ein so edles Herz, daß sie den Verrat nicht ahnt. ' England wirbelt in einem Schwindelgeiste, der, es bangt mir sehr davor, nur mit Blut erstickt wird.« »Doch sagt mir, Mylord, was Ihr mir im Namen meines königlichen

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