Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Titel: Zwanzig Jahre nachher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Ältere)
Vom Netzwerk:
Tigerin hatte ein Junges, der Tiger ist groß gewachsen und kommt zu ihnen; seien Sie auf der Hut.« Athos blickte schwermütig lächelnd auf seine Freunde, Porthos suchte sein Schwert an seiner Seite, das jedoch an der Wand hing, Aramis faßte sein Messer an, d'Artagnan richtete sich empor und rief aus: »Was willst du damit sagen?«
    »Daß Myladys Sohn England verlassen hat, in Frankreich ist und nach Paris kommt, wenn er nicht schon hier ist.«
    »Zum Teufel!« rief Porthos, »weißt du das gewiß?«
    »Gewiß,« entgegnete Grimaud.
    Ein langes Schweigen folgte. Grimaud war so atemlos und erschöpft, daß er auf einen Stuhl sank. Athos füllte ein Glas mit Champagner und reichte es ihm. »Nun denn,« sprach d'Artagnan, »wenn er auch wirklich lebt und nach Paris kommt; wir haben schon andere gesehen; er möge nur kommen.«
    »Ja,« versetzte Porthos und liebkoste sein an der Wand hängendes Schwert; »er komme, wir erwarten ihn.«
    »Überdies ist er nur ein Knabe,« bemerkte Aramis, Grimaud stand auf und sagte: »Ein Knabe? wissen sie, was dieser Knabe getan hat? Als Mönch vermummt, hat er die ganze Geschichte entdeckt, die ihm der Scharfrichter von Bethune reumütig bekannte; und als er von ihm alles erfahren hatte, stieß er ihm diesen Dolch ins Herz. Sehen Sie, er ist noch rot und feucht, da er erst vor dreißig Stunden aus der Wunde gezogen worden ist.« Da warf Grimaud den Dolch auf die Tafel, welchen Francis in der Wunde des Scharfrichters vergessen hatte. D'Artagnan, Porthos und Aramis standen auf und stürzten mit unwillkürlicher Bewegung auf ihre Schwerter hin. Nur Athos blieb ruhig und gedankenvoll sitzen. »Du sagst, Grimaud, er war als Mönch vermummt?«
    »Ja, gnädiger Herr.«
    »Was für ein Mensch ist er?«
    »Wie der Wirt gesagt hat, ist er von meiner Größe, mager, blaß, mit lichtblauen Augen und blonden Haaren.«
    »Und – hat er Rudolf gesehen?« fragte Athos. »Sie begegneten einander, und der Vicomte selber führte ihn an das Bett des Sterbenden.« Athos stand auf, ohne daß er ein Wort sprach, und holte gleichfalls sein Schwert von der Wand. »He doch, meine Herren,« rief d'Artagnan, indem er sich bemühte, zu lachen, »wißt Ihr, daß wir aussehen wie feige Weiber? Wie doch, wir, die wir mit offener Stirn Kriegsheeren entgegengezogen sind, wir beben jetzt vor einem Kinde?« »Ja,« entgegnete Athos, »allein dieses Kind kommt im Namen Gottes.« Und sie entfernten sich eilig aus dem Gasthause.

Der Brief Karls des Ersten
    Nun muß der Leser mit uns über die Seine setzen und uns bis zur Pforte des Karmeliterinnenklosters in der Straße Saint-Jacques folgen. Es war elf Uhr früh, die frommen Schwestern hörten eben eine Messe an, welche für das Glück der Waffen des Königs Karl I. gelesen wurde. Als sie aus der Kirche gingen, kehrten eine Frau und ein junges Mädchen in ihre Zelle zurück; jene war wie eine Witwe, diese wie eine Waise schwarz gekleidet. Die Frau kniete vor einem Betschemel von gemaltem Holze nieder, und einige Schritte vor ihr stand das junge Mädchen und weinte, auf einen Stuhl gestützt. Die Frau mußte schön gewesen sein. Das junge Mädchen war reizend, und ihre Schönheit ward durch ihre Tränen noch erhöht. Die Frau schien vierzig Jahre alt zu sein, das Mädchen zählte erst vierzehn.
    »Mein Gott!« seufzte die Betende auf den Knien, »erhalte mir meinen Gemahl, beschütze mir meinen Sohn, und nimm mein Leben hin, das so traurig und elend ist.« »Mein Gott,« stammelte das junge Mädchen, »erhalte mir meine Mutter.« »Deine Mutter, Henriette, vermag hienieden nichts mehr für dich,« sprach die betrübte, betende Frau, indem sie sich umwandte. »Deine Mutter hat weder Thron, noch Gemahl, noch Sohn, noch Geld, noch auch Freunde mehr; deine Mutter, mein armes Kind, ist verlassen von aller Welt.« Hierauf warf sie sich in die Arme ihrer Tochter, die eilig hinzugetreten war, um sie zu unterstützen, und fing gleichfalls zu schluchzen an. »Fasse Mut, meine Mutter!« tröstete sie das junge Mädchen. »Ach, in diesem Jahre sind die Könige unglücklich.« seufzte die Mutter, und legte ihr Haupt auf die Schulter ihres Kindes – »und niemand hierzulande denkt an uns, da jeder nur an seine eigenen Angelegenheiten denkt.« »Warum wendest du dich aber nicht an die Königin, deine Schwester?« fragte das junge Mädchen. »Ach,« entgegnete die Betrübte, »die Königin, meine Schwester, ist leider nicht mehr Königin, da in ihrem Namen ein anderer regiert, du

Weitere Kostenlose Bücher