Zwei an Einem Tag
Dexter, hinter meinem Rücken? Weil ich den Gedanken nicht ertragen kann …«
»Ian – zwischen mir und Dexter ist nichts passiert«, sagt sie und hofft, dass er die nächste Frage nicht stellt.
»Aber wolltest du es?«
Wollte sie? Ja, manchmal. Oft.
»Nein. Nein, wollte ich nicht. Wir waren nur Freunde, mehr nicht.«
»Okay. Gut.« Er sieht sie an und versucht zu lächeln. »Du fehlst mir so sehr, Em.«
»Ich weiß.«
Er legt sich die Hand auf den Magen. »Es macht mich ganz krank.«
»Das geht vorbei.«
»Wirklich? Ich habe nämlich das Gefühl, langsam durchzudrehen.«
»Ich weiß. Aber ich kann dir nicht helfen, Ian.«
»Du könntest immer noch … deine Meinung ändern.«
»Das geht nicht. Das kann ich nicht, so gerne ichs für dich tun würde.«
»Okey dokey.« Er zuckt die Achseln und lächelt mit zusammengepressten Lippen, sein Stan-Laurel-Lächeln. »Trotzdem. Fragen kostet nichts, oder?«
»Ich schätze nicht.«
»Ich finde immer noch, du bist der Hammer.«
Sie lächelt, weil er möchte, dass sie es tut. »Nein, du bist der Hammer, Ian.«
»Tja, da werde ich dir nicht widersprechen!« Er seufzt, kann es nicht mehr hinauszögern und greift nach der Klinke. »Okay. Grüße an Mrs M. Machs gut.«
»Du auch.«
»Tschüss.«
»Tschüss.«
Er dreht sich um, reißt die Tür auf und tritt dagegen, so dass es aussieht, als hätte sie ihn am Kopf getroffen. Emma lacht pflichtschuldigst, Ian atmet tief ein und geht. Sie bleibt noch ein Weilchen sitzen, steht dann abrupt auf, nimmt die Schlüssel und verlässt zielstrebig die Wohnung.
Die Geräusche eines Sommerabends in East17, Geschrei und Gekreisch hallen von den Gebäuden wider, ein paar vereinzelte Englandfahnen hängen schlaff aus den Fenstern. Sie geht über den Vorplatz. Sollte sie nicht einen Kreis flippiger, enger Freunde um sich haben, die ihr helfen, all das durchzustehen? Sollte sie nicht mit sechs oder sieben attraktiven, witzigen Großstädtern auf einem niedrigen, ausgebeulten Sofa sitzen, sah das urbane Leben nicht so aus? Aber ihre Freundinnen leben entweder zwei Stunden weit weg, oder sie sind mit ihren Familien oder Partnern zusammen. Doch in Ermangelung flippiger Freunde gibt es zum Glück einen Spirituosenladen, der den schrägen und deprimierenden Namen Beer’R’Us trägt.
Vor dem Eingang drehen angsteinflößende Jugendliche auf Fahrrädern träge ihre Kreise, aber sie ist jetzt furchtlos und marschiert direkt zwischen ihnen hindurch, den Blick starr geradeaus gerichtet. Im Geschäft wählt sie die am wenigsten dubiose Weinflasche und stellt sich an der Kasse an. Der Mann vor ihr hat ein Spinnweben-Tattoo im Gesicht, und während sie wartet, bis er genug Kleingeld für zwei Liter starken Cider zusammengekratzt hat, bemerkt sie eine Flasche Champagner, die in einer Glasvitrine eingeschlossen ist. Sie ist ganz staubig, wie ein Relikt aus einer unvorstellbar luxuriösen Vergangenheit.
»Den Champagner hätte ich auch gern, bitte«, sagt sie. Der Verkäufer sieht misstrauisch aus, aber das Geld ist da, fest zusammengeknüllt in ihrer Hand.
»Gibts was zu feiern?«
»Genau. Eine Riesenfeier.« Dann, einer Laune folgend: »Und noch zwanzig Marlboro.«
Mit den Flaschen, die ihr in einer hauchdünnen Plastiktüte gegen die Beine klirren, verlässt sie das Geschäft und steckt sich eine Zigarette in den Mund, als wäre es eine Art Gegengift. Plötzlich hört sie eine Stimme.
»Miss Morley?«
Schuldbewusst dreht sie sich um.
»Miss Morley? Hier drüben!«
Auf langen Beinen kommt Sonya Richards auf sie zustolziert, ihr Schützling, ihr Projekt. Das magere, verschlossene Mädchen, das den Artful Dodger gespielt hat, ist wie verwandelt, sieht jetzt atemberaubend aus; groß, zurückgekämmtes Haar, voller Selbstvertrauen. Emma kann sich genau vorstellen, wie sie auf Sonya wirkt: gebeugt, mit roten Augen, Kippe im Mundwinkel auf der Schwelle von Beer’R’Us. Ein Vorbild, eine Inspiration. Sinnloserweise versteckt sie die qualmende Zigarette hinter dem Rücken.
»Wie gehts Ihnen, Miss?« Sonya sieht etwas unbehaglich aus, ihr Blick flackert hin und her, als bereue sie es, herübergekommen zu sein.
»Es geht mir prima! Prima. Wie gehts dir, Sonya?«
»Ganz okay, Miss.«
»Wie ist das College? Läufts gut?«
»Ja, echt gut.«
»Nächstes Jahr machst du den Abschluss, nicht?«
»Stimmt.« Verstohlen wirft Sonya einen Blick auf die klirrende Tüte mit dem Alk und die Rauchwolke, die hinter ihrem Rücken aufsteigt.
»Und
Weitere Kostenlose Bücher