Zwei an Einem Tag
kleinen Zimmer kaum mehr Platz ist. »Es ist auch meine Wohnung, schon vergessen?«
»Ach, ja? Wie das? Du hast die Hypothek nicht bezahlt! Ich habe das gemacht! Du hast nie was getan, hast immer nur rumgelegen und dich selbst bemitleidet …«
»Das ist nicht wahr!«
»Und wenn du mal ein bisschen was verdient hast, ist es für Scheiß-Videos und Imbissfraß draufgegangen …«
»Ich habe was beigesteuert! Wenn ich konnte …«
»Aber es war nicht genug! Oh Gott, ich hasse diese Wohnung, und ich hasse mein Leben hier. Ich muss hier raus, oder ich dreh noch durch …«
»Aber das war unser Zuhause!«, widerspricht er verzweifelt.
»Ich war hier keine Sekunde glücklich, Ian. Wieso hast du das nicht gemerkt? Ich bin hier einfach … hängengeblieben, wir beide sind das. Das muss dir doch klar sein.«
Er hat sie noch nie so erlebt, sie noch nie solche Dinge sagen hören. Schockiert, mit großen Augen wie ein ängstliches Kind, stolpert er auf sie zu. »Beruhige dich!« Er hält sie am Arm fest. »Sag so was nicht …«
»Lass mich los, Ian, ich meins ernst! Hau einfach ab!« Sie schreien sich an, und sie denkt, oh Gott, wir sind wie eins dieser durchgeknallten Paare geworden, die man nachts durch die Wand schreien hört. Irgendwo denkt jetzt jemand, soll ich die Polizei rufen? Wie konnte es dazu kommen? »Raus hier!«, schreit sie, während er verzweifelt versucht, den Arm um sie zu legen. »Gib mir die Schlüssel und verschwinde, ich will dich nicht mehr sehen …«
Plötzlich brechen beide weinend in dem engen Flur der Wohnung zusammen, die sie voller Hoffnung gekauft hatten. Ian hat sich eine Hand vors Gesicht gelegt und bemüht sich heftig schluchzend und keuchend, etwas zu sagen. »Ich halte das nicht aus. Warum passiert mir so was? Das ist die Hölle. Ich bin in der Hölle, Em!«
»Ich weiß. Es tut mir leid.« Sie nimmt ihn in den Arm.
»Warum kannst du mich nicht lieben? Warum kannst du nicht in mich verliebt sein? Früher warst dus doch auch, oder? Ganz am Anfang.«
»Natürlich.«
»Und warum kannst du nicht wieder in mich verliebt sein?«
»Ach, Ian, es geht nicht. Ich habs versucht, aber es geht nicht. Es tut mir so schrecklich leid.«
Etwas später liegen sie immer noch an derselben Stelle, als wären sie dort gestrandet. Ihr Kopf liegt an seiner Schulter, ihr Arm über seiner Brust, sie atmet seinen Geruch ein, den warmen, tröstlichen Geruch, an den sie so gewöhnt ist. Schließlich bricht er das Schweigen.
»Ich sollte gehen.«
»Ist wohl besser.«
Er hält das rote, geschwollene Gesicht abgewandt, setzt sich auf und deutet mit dem Kopf auf das Chaos aus Papier, Notizbüchern und Fotos auf dem Schlafzimmerboden. »Weißt du, was mich traurig macht?«
»Was?«
»Dass es nicht mehr Fotos von uns beiden gibt. Zusammen, meine ich. Es gibt tausende von dir und Dex, aber kaum welche, wo nur wir beide drauf sind. Zumindest keine neuen. Als hätten wir einfach aufgehört, welche zu machen.«
»Keine vernünftige Kamera«, sagt sie schwach, aber er schluckt es.
»Verzeih … du weißt schon, dass ich so ausgeflippt bin, in deinen Sachen gewühlt hab. Völlig unakzeptables Verhalten.«
»Schon gut. Tus einfach nicht wieder.«
»Einige Geschichten sind übrigens echt gut.«
»Danke. Obwohl sie eigentlich privat waren.«
»Welchen Sinn hat das? Irgendwann musst du sie jemandem zeigen. Dich der Welt stellen.«
»Okay, vielleicht mache ich das. Eines Tages.«
»Nicht die Gedichte. Zeig ihnen nicht die Gedichte, sondern die Geschichten. Sie sind gut. Du bist eine gute Schriftstellerin. Klug.«
»Danke, Ian.«
Seine Lippe zitterte. »So schlimm war es doch nicht, oder? Hier mit mir zu leben?«
»Es war toll. Ich hab nur meinen Frust an dir ausgelassen, das ist alles.«
»Willst du es mir erzählen?«
»Es gibt nichts zu erzählen.«
»Tja.«
»Tja.« Sie lächeln sich an. Er steht an der Tür, die Hand auf der Klinke, kann sich aber noch nicht losreißen.
»Eine Sache noch.«
»Ja?«
»Du triffst dich nicht mit ihm, oder? Mit Dexter, meine ich. Ich bin bloß paranoid.«
Seufzend schüttelt sie den Kopf. »Ian, ich schwörs dir bei meinem Leben. Ich treffe mich nicht mit Dexter.«
»Ich habe in der Zeitung gelesen, dass er sich von seiner Freundin getrennt hat, da dachte ich, weil wir auch Schluss gemacht haben und er wieder Single ist …«
»Ich habe Dexter seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.«
»Aber ist irgendwas passiert? Während wir zusammen waren? Zwischen dir und
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