Zwei an Einem Tag
Gesicht im Kerzenschein Ähnlichkeit hat mit einem Gemälde von diesem Typ, der immer Mädchen im Kerzenlicht malt, dann fühlt er sich wie hypnotisiert. Über den Tisch hinweg lächelt sie ihn an, und er beschließt, dass er ihr heute Nacht sagen wird, dass er sie liebt. Bis jetzt hat er noch nie »Ich liebe dich« gesagt, nicht absichtlich, nicht wenn er nüchtern war. Er hat gesagt »Verfickt nochmal, ich liebe dich«, aber das ist was anderes, und heute hat er das Gefühl, es ist Zeit, die Worte in ihrer reinsten Form zu verwenden. Er ist so angetan von dem Plan, dass er zwischenzeitlich nicht auf das Gespräch achtet.
»Und was machen Sie nun beruflich , Dexter?«, fragt Sylvies Mutter vom anderen Tischende; Helen Cope, vogelähnlich und unnahbar in beigefarbenem Kaschmir.
Wie gebannt starrt Dexter weiter Sylvie an, die warnend die Augenbrauen hochzieht. »Dexter?«
»Hm?«
»Mummy hat dich etwas gefragt?«
»Entschuldigen Sie, ich war ganz in Gedanken.«
»Er ist TV- Moderator «, sagt Sam, einer von Sylvies Brüdern – ein 19-jähriger, stämmiger, selbstzufriedener kleiner Nazi mit dem muskulösen Rücken eines Collegeruderers, genau wie sein Zwillingsbruder Murray.
»Ist oder war? Moderieren Sie heute immer noch?«, grinst Murray süffisant, und beide werfen die blonden Ponys zurück. Mit der sportlichen Figur, der reinen Haut und den blauen Augen sehen sie aus wie Laborzüchtungen.
» Dich hat Mummy nicht gefragt, Murray«, fährt Sylvie ihn an.
»Na ja, ich bin immer noch Moderator, irgendwie«, sagt Dexter und denkt, ich krieg euch noch dran, ihr kleinen Scheißer. Es hatte schon in London Reibereien zwischen Dexter und den Zwillingen gegeben. Durch ihr süffisantes Grinsen und Zwinkern haben sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie nicht viel von dem neuen Freund ihrer Schwester halten, dass sie etwas Besseres verdient hat. Die Cope-Familie besteht aus Gewinnern und duldet nur Gewinner. Dexter ist nur ein hübsches Gesicht, weg vom Fenster, ein Angeber auf dem absteigenden Ast. Am Tisch herrscht Schweigen. Hätte er weiterreden sollen? »Entschuldigung, wie war noch gleich die Frage?«, fragt Dexter verwirrt, aber entschlossen, wieder Oberwasser zu bekommen.
»Ich habe nur gefragt, was Sie heute so tun, arbeitsmäßig?«, wiederholt sie geduldig und lässt deutlich durchblicken, dass es sich um ein Vorstellungsgespräch für den Posten als Sylvies Freund handelt.
»Nun, ich habe an einer Reihe neuer Sendungen gearbeitet. Wir warten noch auf die Zusagen.«
»Und worum geht es dabei?«
»Nun, in einer geht es um das Londoner Nachtleben, darum, was in der Hauptstadt so abgeht, und in der anderen geht es um Sport. Extremsport.«
»Extremsport? Was ist ›Extremsport‹?«
»Äh, nun ja, Mountainbike-Fahren, Snowboarden, Skateboarden …«
»Und betreiben Sie selbst auch irgendwelche ›Extremsportarten‹?«, fragt Murray höhnisch grinsend.
»Gelegentlich fahre ich Skateboard«, sagt Dexter, in die Defensive getrieben, und sieht, wie Sam am anderen Tischende in die Serviette beißt.
»Haben wir Sie vielleicht schon mal auf BBC gesehen?«, fragt Lionel, der Vater, gutaussehend, gedrungen, selbstzufrieden und mit Ende 50 immer noch erstaunlich blond.
»Unwahrscheinlich. Es läuft alles recht spät, bedauerlicherweise.« Es läuft alles recht spät, bedauerlicherweise. Gelegentlich fahre ich Skateboard. Gott, fragt er sich, wie redest du? Aus irgendeinem Grund verhält er sich in Gegenwart der Cope-Familie wie in einem Kostümdrama. Fürwahr, es läuft recht spät. Trotzdem, sie ist es wert …
Jetzt meldet sich Murray zu Wort – oder ist es Sam? –, den Mund voller Salat. »Wir haben immer diese Sendung mit Ihnen im Spätprogramm geguckt, abfeiern . Viele Schimpfwörter und Mädels, die in Käfigen tanzen. Du wolltest nie, dass wir das gucken, erinnerst du dich, Mum?«
»Ach, Gott, das?« Mrs Cope, Helen, runzelt die Stirn. »Ich erinnere mich tatsächlich , vage.«
»Du fandest sie ganz abscheulich «, sagt Murray oder Sam.
»›Macht das aus!‹, hast du immer gerufen«, sagt der andere, »›macht das aus! Davon bekommt man einen Hirnschaden!‹«
»Komisch, genau das hat meine Mutter auch immer gesagt«, bemerkt Dexter, aber keiner reagiert, und er greift nach der Weinflasche.
» Sie waren das also, ja?«, sagt Lionel, Sylvies Vater, mit hochgezogenen Augenbrauen, als hätte der Gentleman an seinem Tisch sich gerade als Schuft entpuppt.
»Nun, ja, aber ganz so schlimm war es
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