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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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verpasst haben?«
    »Hör bitte auf damit, ja, Phil? Ich bin nicht in Stimmung.«
    »Ich möchte ungern ein Disziplinarverfahren daraus machen, Emma …«
    Sie hält sich das Handy vom Ohr weg, während der Schulleiter weiter-und weiterredet. Es ist das mittlerweile veraltete, klobige Handy, das er ihr aus Liebe geschenkt hat, damit er »ihre Stimme hören kann, wann immer er will«. Mein Gott, sie haben es sogar für Telefonsex benutzt. Na ja, er zumindest – »Sie sind ausdrücklich informiert worden, dass die Konferenz obligatorisch ist. Das Schuljahr ist noch nicht vorbei, wissen Sie« – und einen Moment lang überlegt sie, wie befriedigend es wäre, das verdammte Ding in die Themse zu werfen und zuzuschauen, wie es untergeht wie ein Stein. Aber sie müsste zuerst die SIM-Karte entfernen, was die Symbolkraft etwas schmälern würde, außerdem gibt es solche dramatischen Gesten nur in Film und Fernsehen – und sie kann sich kein neues Handy leisten.
    Nicht jetzt, da sie beschlossen hat zu kündigen.
    »Phil?«
    »Bleiben wir doch bei Mr Godalming, ja?«
    »Okay – Mr Godalming?«
    »Ja, Miss Morley?«
    »Ich kündige.«
    Er lacht, ein nervtötendes, falsches Lachen. Sie sieht ihn vor sich, wie er langsam den Kopf schüttelt. »Emma, du kannst nicht kündigen.«
    »Ich kann und ich habe, und noch etwas. Mr Godalming?«
    »Emma?«
    Die obszöne Bemerkung liegt ihr auf der Zunge, aber sie bringt es nicht über sich, sie auszusprechen. Stattdessen formt sie die Worte genüsslich mit den Lippen, legt auf, wirft das Handy in ihre Tasche und geht am Ufer der Themse entlang Richtung Osten, benommen von einer Mischung aus Hochgefühl und Zukunftsangst.
    »So, leider kann ich nicht mit dir zum Mittagessen gehen, ich habe noch einen Termin mit einem anderen Klienten …«
    »Okay. Danke, Aaron.«
    »Vielleicht beim nächsten Mal, Dexy. Was ist los? Du siehst so niedergeschlagen aus, Kumpel.«
    »Ach, nichts. Ich bin nur ein bisschen besorgt, das ist alles.«
    »Weshalb?«
    »Wegen, du weißt schon, der Zukunft. Meine Karriere. Sie läuft nicht so, wie ich erwartet hatte.«
    »Tut sie doch nie, oder? Deshalb sind Karriere und Zukunft ja so verflucht AUFREGEND! He, komm her, komm her, hab ich gesagt! Ich hab da eine Theorie über dich, Kumpel. Willst du sie hören?«
    »Schieß los.«
    »Die Leute lieben dich, Dex, sie lieben dich wirklich. Das Problem ist, es ist eine ironische, augenzwinkernde Hassliebe. Was wir brauchen, ist jemand, der dich wirklich liebt …«

KAPITEL ZWÖLF
    »Ich liebe dich« sagen
    Dienstag, 15. Juli 1998
    Chichester, Sussex
    Aus heiterem Himmel, ohne zu wissen, wie ihm geschieht, ist Dexter verliebt, und plötzlich ist das Leben ein einziger Wochenendausflug.
    Sylvie Cope. Sie heißt Sylvie Cope, ein wunderschöner Name, und wenn man ihn fragt, wie sie ist, schüttelt er den Kopf, atmet tief aus und sagt, sie ist großartig, einfach großartig, einfach nur … wunderbar! Sie ist natürlich schön, aber anders als die anderen – keine Männermagazin-Schönheit wie die flippige Suki Meadows oder trendig-schön wie Naomi, Ingrid oder Yolande, sondern auf gelassene, klassische Art; in der Frühphase seiner Moderatorenlaufbahn hätte er sie wohl eine »Klassefrau« oder »Klassebraut« genannt. Mit dem langen, glatten, blonden, streng in der Mitte gescheitelten Haar, den zierlichen, hübschen Zügen in dem symmetrischen, blassen, herzförmigen Gesicht erinnert sie ihn an eine Frau aus einem Gemälde, dessen Name ihm entfallen ist, irgendjemand aus dem Mittelalter mit Blumen im Haar. So sieht Sylvie Cope aus; die Art von Frau, die mit einem Einhorn im Arm völlig normal aussähe. Sylvie ist groß und schlank, recht ernst, oft fast streng, und ihr Gesicht bleibt meist unbewegt, außer wenn sie die Stirn runzelt oder die Augen verdreht, weil er irgendwas Dummes gesagt oder getan hat; Sylvie ist perfekt und verlangt auch von anderen Perfektion.
    Ihre Ohren stehen ein winziges bisschen ab, so dass sie korallenrot glühen, wenn sie die Sonne im Rücken hat, und im selben Licht kann man auch einen feinen Flaum auf ihren Wangen und der Stirn erkennen. Zu früheren, oberflächlicheren Zeiten hätten die glühenden Ohren und die behaarte Stirn Dexter vielleicht abgestoßen, aber wenn er sie heute betrachtet, wie sie ihm an diesem warmen Sommertag auf einem englischen Rasen am Tisch gegenübersitzt, das perfekte Kinn auf die langgliedrige Hand gestützt, während über ihnen die Schwalben dahinsegeln, und ihr

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