Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
Vom Netzwerk:
Date in einem sündhaft teuren französischen Restaurant in Chelsea hat er sie gefragt, ob sie sich amüsiere. Sie amüsiere sich prächtig, hatte sie geantwortet, aber sie lache ungern in Gesellschaft, weil sie ihren Gesichtsausdruck beim Lachen nicht möge. Und obwohl es ihn bei dieser Antwort fröstelte, kam er doch nicht umhin, ihren eisernen Willen zu bewundern.
    Dieser erste Besuch bei ihren Eltern ist Teil eines langen Wochenendes, ein Zwischenstopp in Chichester, bevor sie weiter die M3 hinunterfahren, bis zu einem gemieteten Cottage in Cornwall, wo Sylvie ihm Surfen beibringen will. Natürlich sollte er sich weniger freinehmen, er sollte arbeiten oder zumindest nach Arbeit suchen. Aber die Aussicht, eine gestrenge Sylvie im Neoprenanzug mit zurückgebundenen Haaren und rosigen Wangen zu bewundern, ist fast zu schön, um wahr zu sein. Er schaut zu ihr hinüber, um zu überprüfen, wie er sich macht, und sie lächelt ihm im Kerzenschein beruhigend zu. Bis jetzt macht er sich gut und schenkt sich ein letztes Glas Wein ein. Nur nicht zu viel trinken. Bei diesen Leuten muss man einen kühlen Kopf bewahren.
    Nach dem Dessert – Sorbet aus eigenen Erdbeeren, das er überschwenglich lobt – hilft Dexter Sylvie, die Teller in den roten Ziegelbau zurückzubringen, der Ähnlichkeit mit einem luxuriösen Puppenhaus hat. Sie stehen in der viktorianischen Landküche und räumen den Geschirrspüler ein.
    »Ich kann deine Brüder kaum auseinanderhalten.«
    »Sam ist der gehässige und Murray der unflätige, so kann man es sich merken.«
    »Ich glaube, sie mögen mich nicht besonders.«
    »Sie mögen niemanden, außer sich selbst.«
    »Sie halten mich wohl für angeberisch.«
    Über das Besteckfach hinweg nimmt sie seine Hand. »Ist dir denn so wichtig, was meine Familie von dir hält?«
    »Kommt drauf an. Ist dir wichtig, was deine Familie von mir hält?«
    »Ein bisschen schon.«
    »Dann ist es mir auch wichtig«, sagt er vollkommen aufrichtig.
    Sylvie hält inne und sieht ihn eindringlich an. Neben Lachen in der Öffentlichkeit sind bei ihr auch demonstrative Zuneigungsbekundungen wie Umarmungen oder Kuscheln verpönt. Sex mit Sylvie ist wie eine extrem anstrengende Squashpartie, alles tut ihm weh, und er hat immer irgendwie das Gefühl, verloren zu haben. Berührungen sind selten und kommen meist heftig, schnell und völlig unerwartet. Jetzt legt sie ihm quer über den Geschirrspüler hinweg urplötzlich eine Hand auf den Hinterkopf, küsst ihn hart, nimmt mit der anderen seine Hand und presst sie sich zwischen die Beine. Er sieht ihr in die weit aufgerissenen, starren Augen, und versucht, mit seinem Gesicht Begehren statt Unbehagen darüber auszudrücken, dass ihm die Geschirrspülerklappe an den Schienbeinen scheuert. Die Familie marschiert ins Haus, er hört die flegelhaften Stimmen der Zwillinge im Flur. Als er sich loßzureißen versucht, wird seine Unterlippe auf komische Weise langezogen wie in einem Warner-Brothers-Cartoon, denn Sylvie hat sie zwischen den Zähnen. Er wimmert, und lachend lässt sie seine Lippe los, so dass sie zurückschnellt wie ein Rollo.
    »Kanns kaum erwarten, ins Bett zu kommen«, haucht sie, während er die Lippe auf Blutspuren untersucht.
    »Hört deine Familie das nicht?«
    »Ist mir egal. Ich bin ein großes Mädchen.« Er überlegt, ob er es jetzt tun soll, ihr sagen soll, dass er sie liebt.
    »Gott, Dexter, du kannst die Töpfe nicht einfach in den Geschirrspüler stellen, du musst sie erst ausspülen.« Sie geht ins Wohnzimmer und überlässt ihm das Spülen.
    Dexter ist nicht leicht einzuschüchtern, aber etwas an dieser Familie, ihre Selbstgenügsamkeit und Selbstzufriedenheit, treibt ihn in die Defensive. Es ist keine Frage der Klasse, denn seine Familie ist genauso privilegiert, wenn auch liberaler und unkonventioneller als die erzkonservativen Copes. Was ihn nervös macht, ist ihr Zwang, sich als Sieger zu beweisen. Die Copes sind Frühaufsteher, Bergwanderer und Seeschwimmer, überlegen, gesund und munter, aber er wird sich nicht von ihnen unterkriegen lassen.
    Als er ins Wohnzimmer kommt, drehen sich die Achsenmächte zu ihm um und verstummen plötzlich, als hätten sie von ihm gesprochen. Mit einem selbstbewussten Lächeln lässt er sich auf eines der niedrigen Blumenmuster-Sofas plumpsen. Das Wohnzimmer ist im Stil eines englischen Landhaushotels aufgemacht, bis hin zu Zeitschriften wie Country Life , Private Eye und The Economist , die fächerförmig auf dem Couchtisch

Weitere Kostenlose Bücher