Zwei an Einem Tag
Einwegfotoapparaten brechen rosige Zeiten an. Mittelmäßige Motown-Cover-Bands brechen vor Erschöpfung fast zusammen. Kirchen sind wieder in Mode, und dieser Tage legt das glückliche Paar die kurze Entfernung zwischen dem Gotteshaus und dem Ort der Hochzeitsfeier auf offenen Londoner Doppeldeckerbussen, in Heißluftballons, auf dem Rücken zueinander passender weißer Hengste oder in Ultraleichtflugzeugen zurück. Eine Hochzeit erfordert Unmengen an Liebe, Hingabe und freier Zeit, und zwar nicht zuletzt von den Gästen. Konfetti kostet acht Pfund pro Box. Mit einem Beutel Reis aus dem Laden um die Ecke ist es heute nicht mehr getan.
Mr und Mrs Anthony Killick laden Emma Morley und Begleitung zur Hochzeit ihrer Tochter Tilly Killick mit Malcolm Tidewell ein.
Emma saß an der Autobahnraststätte in ihrem neuen Wagen, ihrem allerersten Auto, einem Fiat Panda aus vierter Hand, betrachtete die Einladung und wusste mit absoluter Gewissheit, es würde Männer mit Zigarren und einen Engländer im Kilt geben.
» Emma Morley und Begleitung. «
Sie wandte sich wieder der Straßenkarte zu, einer Uralt-Ausgabe, auf der mehrere wichtige Ballungsgebiete fehlten. Sie drehte sie erst um 180 Grad in die eine, dann um 90 Grad in die andere Richtung, aber sie hätte genauso gut eine mittelalterliche Karte benutzen können und warf sie auf den leeren Beifahrersitz, wo ihre Begleitung hätte sitzen sollen.
Emma war eine grottenschlechte Fahrerin, gleichzeitig nachlässig und starr vor Angst, und hatte die ersten 90 Kilometer geistesabwesend die Brille über den Kontaktlinsen getragen, so dass die anderen Autos bedrohlich aus dem Nichts aufzutauchen schienen wie außerirdische Raumkreuzer. Häufige Zwischenstopps waren unabdingbar, damit sich der Blutdruck normalisieren und sie sich den Schweiß von der Oberlippe tupfen konnte, und sie griff nach der Handtasche, begutachtete ihr Make-up im Spiegel und versuchte einzuschätzen, wie sie auf andere wirkte. Der Lippenstift war eigentlich zu rot und sexy für sie, und das bisschen Puder auf ihren Wangen wirkte jetzt übertrieben und albern, wie aus einem Barocktheaterstück. Warum sehe ich immer aus wie ein Kind, dass das Make-up seiner Mutter ausprobiert, fragte sie sich. Außerdem hatte sie den unverzeihlichen Fehler begangen, sich am Vortag das Haar schneiden, nein, stylen , zu lassen, und es fiel immer noch in kunstvollen, lockeren Stufen, ein »Cut«, wie ihre Mutter sagen würde.
Frustriert zupfte sie heftig am Saum ihres chinesisch anmutenden Kleides aus dunkelblauer Seide, oder vielleicht war es auch nur Seidenersatz, jedenfalls sah sie darin aus wie die dickliche, unglückliche Kellnerin aus dem Imbiss Zum Goldenen Drachen. Wenn sie sich setzte, warf es Falten und rutschte hoch, und die Kombination aus der »Seide« und Autobahn-Panik verursachte ihr Schweißausbrüche. Die Klimaanlage hatte zwei Stufen, Windkanal und Sauna, und jegliche Eleganz hatte sich irgendwo außerhalb von Maidenhead verflüchtigt und war durch zwei dunkle Schweißflecken unter den Armen ersetzt worden. Sie hob die Ellbogen, betrachtete die Flecken und fragte sich, ob sie umkehren und sich umziehen sollte. Oder nur umkehren. Umkehren, zu Hause bleiben, am Buch weiterarbeiten. Schließlich standen sie und Tilly Killick sich nicht mehr besonders nahe. Die finstere Zeit, als Tilly ihr das winzige Zimmer in Clapton vermietet hatte, hatte einen Schatten auf ihre Beziehung geworfen, und sie hatten den Streit um die nicht zurückgezahlte rückzahlbare Kaution nie ganz geklärt. Es war schwer, dem frischvermählten Paar Glück zu wünschen, wenn die Braut einem 500 Mäuse schuldete.
Andererseits würde sie alte Freunde treffen. Sarah C., Carol, Sita, die Watson-Zwillinge, Bob, Mari mit dem Wuschelkopf, Stephanie Shaw von ihrem Verlag, Callum O’Neill, den Sandwich-Millionär. Und Dexter würde dort sein. Dexter mit seiner Freundin.
In dem Moment, als sie ihre Achselhöhlen vor die Belüftung hielt und sich fragte, was sie tun sollte, fuhr Dexter in seinem Mazda-Sportwagen mit Sylvie Cope auf dem Beifahrersitz an ihr vorbei, ohne dass sie sich sahen.
»Und wer kommt alles?«, fragte Sylvie und drehte die Stereoanlage leiser. Travis – ausnahmsweise ihre Musikwahl. Sylvie interessierte sich nicht für Musik, mit Ausnahme von Travis.
»Die üblichen Leute von der Uni. Paul, Sam und Steve O’D., Peter und Sarah, die Watsons. Und Callum.«
»Callum. Gut, Callum mag ich.«
»… Mary mit dem Wuschelkopf, Bob.
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