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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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Thema »der glücklichste Moment meines Lebens« vorführte. Emma bemerkte, dass die Braut sich seltsamerweise für den Marie-Antoinette-Look entschieden hatte – rosa Seide und Spitze, Reifrock, Turmfrisur, Schönheitsfleck –, und sie fragte sich, ob Tillys Abschluss in Geschichte und Französisch nicht sein Ziel verfehlt hatte. Allerdings sah sie sehr glücklich aus, und er sah sehr glücklich aus, die ganze Gemeinde sah sehr, sehr glücklich aus.
    Lied folgte auf Sketch folgte auf Lied, bis die Hochzeit einer königlichen Galavorstellung ähnelte, und Dexters Gedanken schweiften ab. Tillys rotbackige Nichte las jetzt ein Sonett vor, etwas darüber, dass dem festen Bund getreuer Herzen kein Hindernis erstehen sollte, was auch immer das heißen mochte. Er bemühte sich ernsthaft, dem Gedankengang des Gedichtes zu folgen und die romantischen Gefühle auf Sylvie zu übertragen, wandte sich dann aber wieder seinen Spekulationen darüber zu, mit wie vielen Leuten aus der Hochzeitsgesellschaft er im Bett gewesen war. Nicht auf prahlerische Weise, zumindest nicht nur, sondern aus Nostalgie. »Die Liebe wankt mit Stunden nicht und Wochen …«, las die Nichte der Braut vor, als Dexter auf fünf kam. Fünf Ex-Geliebte in einer kleinen Kapelle. War das so was wie ein Rekord? Gab es Extrapunkte für die Braut? Immer noch keine Spur von Emma Morley. Mit Emma fünfeinhalb.
    Von hinten beobachtete Emma, wie Dexter etwas an den Fingern abzählte, und fragte sich, was er da tat. Er trug einen dunklen Anzug mit einer schmalen schwarzen Krawatte; wie alle Jungs heutzutage machte er einen auf Gangster. Im Profil sah man den Ansatz eines Doppelkinns, aber er sah immer noch gut aus. Unverschämt gut, um genau zu sein, und weit weniger dicklich und aufgedunsen als in der Zeit, bevor er Sylvie kennengelernt hatte. Seit dem Streit hatte Emma ihn drei Mal getroffen, immer auf Hochzeiten. Jedes Mal hatte er sie in die Arme genommen und geküsst, als wäre nichts gewesen, hatte »wir müssen reden, wir müssen reden« gesagt, aber es war nie etwas daraus geworden. Ständig war er bei Sylvie, und beide waren ganz davon in Anspruch genommen, wunderschön auszusehen. Da saß sie neben ihm, legte ihm besitzergreifend die Hand aufs Knie, Kopf und Hals gereckt wie eine langstielige Blume, um alles mitzubekommen.
    Das Gelöbnis begann. Emma sah gerade noch, wie Sylvie nach Dexters Hand griff und ihm alle fünf Finger drückte, als fühle sie mit dem Brautpaar. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, und Dexter sah Sylvie an, lächelte breit und leicht dösig, wie Emma fand. Er antwortete etwas, und obwohl Emma keine geübte Lippenleserin war, schien es ihr wahrscheinlich, dass es »Ich liebe dich auch« war. Verlegen drehte er sich um, sah Emma an und grinste, als fühle er sich ertappt.
    Die Varieté-Nummer war vorbei. Es war gerade noch Zeit für eine dilettantische Version von All You Need is Love , und die Gäste bemühten sich, im 7/4-Takt mitzusingen, bevor sie dem Brautpaar nach draußen folgten und das Wiedersehen ernsthaft begann. Durch die sich umarmende, jubelnde und Hände schüttelnde Menge gingen Dexter und Emma aufeinander zu und standen sich plötzlich gegenüber.
    »Tja«, sagte er.
    »Tja.«
    »Kenne ich dich nicht von irgendwoher?«
    »Dein Gesicht kommt mir bekannt vor.«
    »Deins auch. Obwohl du anders aussiehst.«
    »Ja, ich bin die einzige Frau hier, die in Schweiß gebadet ist«, sagt Emma und zupft an dem Stoff unter ihren Armen.
    »Du meinst wohl ›Transpiration‹.«
    »Eigentlich nicht, das ist Schweiß. Ich sehe aus wie frisch aus dem See gefischt. Von wegen Naturseide!«
    »Sieht irgendwie orientalisch aus, nicht?«
    »Ich nenne es den Fall-von-Saigon-Look. Chinesisch, um genau zu sein. Das Problem bei den Dingern ist, dass man 40 Minuten später ein neues braucht!«, sagte sie und hatte bei der Hälfte des Satzes das Gefühl, dass sie ihn besser gar nicht erst angefangen hätte. Bildete sie es sich ein, oder verdrehte er leicht die Augen?
    »Schon okay. Ich mag das Kleid. Eigentlich riebe ich es sehl.«
    Jetzt verdrehte sie die Augen. »Da hast dus; jetzt sind wir quitt.«
    »Was ich eigentlich sagen wollte, du siehst gut aus.« Er sah sich jetzt ihren Kopf an. »Ist das etwa ein …«
    »Was?«
    »Ist der Haarschnitt nicht unter dem Namen Rachel bekannt?«
    »Treibs nicht zu weit, Dex«, sagte sie und fing sofort an, sich mit den Fingerspitzen das Haar glatt zu streichen. Sie sah zu Tilly und dem frischgebackenen

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