Zwei an Einem Tag
und Pipi den Ekelfaktor verlieren und einem, wenn auch nicht unbedingt angenehm, immerhin neutral erscheinen. Seine Schwester hatte sogar behauptet, dass man es »auf Toast essen« kann, so mild und wohlriechend sei es.
Trotzdem, man bekommt es nicht gern unter die Fingernägel, und mit Babymilch und fester Nahrung hat es eine entschieden erwachsene Konsistenz angenommen. Die kleine Jasmine hat anscheinend ein halbes Pfund Erdnussbutter produziert und sich irgendwie über den ganzen Rücken verteilt. Leicht benommen von dem Wein auf leeren Magen wischt und kratzt er es so gut wie möglich mit einer halben Packung Öltüchern ab, und als er keine mehr hat, benutzt er sein Tagesticket. Das immer noch warme Bündel stopft er in einen chemisch riechenden Windelbeutel, den er in einen Treteimer wirft, an dessen Deckel sich Kondenswasser gesammelt hat, wie er leicht angeekelt bemerkt. Jasmine schreit die ganze Zeit. Als sie schließlich wieder sauber und frisch ist, nimmt er sie hoch, legt sie sich an die Schulter, wippt auf den Zehenspitzen auf und ab, bis ihm die Knöchel wehtun, und wie durch ein Wunder hört sie auf zu schreien.
Er geht zum Kinderbett, legt sie hinein, und sie fängt wieder an zu schreien. Sie verstummt, als er sie hochnimmt. Legt sie ab, sie schreit. Er durchschaut das Muster, aber es erscheint ihm so gemein, dass sie so viel von ihm verlangt, während seine Frühlingsrollen kalt werden, der Wein offen dasteht und es in dem kleinen Raum so durchdringend nach warmer Kacke stinkt. Es wird viel mit dem Begriff »bedingungslose Liebe« um sich geworfen, aber im Moment ist ihm danach, ein paar Bedingungen aufzustellen. »Komm schon, Jas, sei fair, sei lieb. Daddy ist seit fünf Uhr auf den Beinen, weißt du?« Sie ist wieder ruhig, ihr warmer, regelmäßiger Atem streift seinen Hals, deshalb versucht er nochmals, sie hinzulegen, ganz langsam, und wie bei einem blödsinnigen Limbotanz verlagerte er ihr Gewicht nahezu unmerklich aus der Vertikalen in die Horizontale. Er trägt immer noch das Macho-Babygeschirr und stellt sich vor, er sei ein Bombenexperte; vorsichtig, vorsichtig, vorsichtig.
Wieder fängt sie an zu schreien.
Trotzdem macht er die Tür hinter sich zu und trabt nach unten. Da heißt es hart bleiben. Man darf kein Mitleid haben, so steht es in den Büchern. Wenn sie sprechen könnte, würde er ihr erklären: Jasmine, wir brauchen beide ein bisschen Zeit für uns . Er isst vor dem Fernseher, aber wieder einmal fällt ihm auf, wie schwer es ist, Babygeschrei zu ignorieren. »Kontrolliertes Weinen« nennt man das, aber er hat die Kontrolle verloren, will am liebsten selbst losheulen und empfindet eine Art viktorianischer Empörung gegenüber seiner Frau – welche verantwortungslose Dirne lässt ihr Kind in der Obhut des Vaters? Wie kann sie es wagen? Er dreht den Ton lauter, will sich noch mehr Wein einschenken und bemerkt überrascht, dass die Flasche leer ist.
Egal. Es gibt kein Babyproblem, das sich nicht mit einem Milchfläschchen lösen lässt. Er macht noch ein Fläschchen warm, steigt leicht benommen die Treppe hinauf, und das Blut rauscht ihm in den Ohren. Das grimmige kleine Gesicht entspannt sich, als er ihr das Milchfläschchen in die Hand drückt, aber plötzlich fängt sie wieder an zu schreien, heult durchdringend, weil er vergessen hat, die Flasche zuzuschrauben, die warme Milch fließt über das Bettzeug, in die Matratze, gerät ihr in Augen und Nase, und sie brüllt jetzt, brüllt wie am Spieß. Panisch tastet er mit einer Hand nach einem Musselintuch, findet stattdessen ihre beste Kaschmirstrickjacke auf einem Stapel sauberer Wäsche und wischt Jasmine damit die Babymilch aus den Haaren und den Augen, küsst sie immer wieder und verflucht sich selbst – »Idiot, Idiot, Idiot, das wollte Daddy nicht, das wollte Daddy nicht.« –, während er mit der anderen Hand anfängt, das milchbesudelte Bettzeug, die Kleidung und die Windel zu wechseln, die er in einem Haufen auf den Boden wirft. Jetzt ist er froh, dass sie noch nicht sprechen kann. » Sieh dich nur an, du Idiot «, würde sie sagen, » du kannst dich nicht mal um ein Baby kümmern .« Unten macht er mit einer Hand noch ein Fläschchen, trägt sie wieder nach oben, füttert sie in dem abgedunkelten Zimmer, bis sie sich beruhigt hat und, den Kopf an seine Schulter gelegt, einschläft.
Leise schließt er die Tür und schleicht die nackte Holztreppe hinunter wie ein Einbrecher im eigenen Haus. In der Küche steht die
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