Zwei an Einem Tag
sieht sie aus wie eine Miniaturausgabe ihrer Mutter, und wieder einmal spürt er tiefe, von nackter Angst gedämpfte Liebe in sich aufsteigen.
»Hallo, Jas. Ich wollte nicht so spät dran sein«, sagt er, umfasst ihren Bauch und hebt sie hoch über den Kopf. »Wie war dein Tag, Jas?«
Aus dem Wohnzimmer ertönt eine Stimme. »Nenn sie nicht so. Sie heißt Jasmine, nicht Jazz .« Sylvie liegt auf dem mit Planen abgedeckten Sofa und liest eine Zeitschrift. »Jazz Mayhew klingt furchtbar . Wie der Name der Saxophonistin einer lesbischen Funkband . Jazz. «
Mit seiner Tochter auf der Schulter erscheint er im Türrahmen. »Tja, wenn du sie Jasmine nennst, musst du damit rechnen, dass man sie Jas ruft.«
» Ich habe sie nicht so genannt, wir haben sie so genannt. Und ich weiß, dass es passieren wird, aber das heißt nicht, dass es mir gefallen muss.«
»Okay, dann spreche ich ab jetzt vollkommen anders mit meiner Tochter.«
»Gut, das würde mir gefallen.«
Er steht beim Sofa, sieht demonstrativ auf die Uhr und denkt, Ein neuer Weltrekord! Ich bin gerade mal, wie lange, 45 Sekunden zu Hause, und schon habe ich was falsch gemacht! Die Bemerkung hat genau die richtige Mischung aus Selbstmitleid und Feindseligkeit; das gefällt ihm, und er will es gerade aussprechen, als Sylvie sich stirnrunzelnd mit feuchten Augen aufsetzt und die Knie umfasst.
»Entschuldige, Liebling, ich hatte einen schrecklichen Tag.«
»Was ist denn los?«
»Sie will überhaupt nicht schlafen. Sie war den ganzen Tag wach, schon seit fünf Uhr morgens.«
Dexter stemmt sich eine Hand in die Hüfte. »Tja, Liebling, wenn du ihr den Entkoffeinierten geben würdest, wie ich dir gesagt habe …« Diese Art von Geplänkel gehört nicht zu Dexters Begabungen, und Sylvie verzieht keine Miene.
»Sie hat den ganzen Tag geschrieen und gewimmert, draußen ist es so heiß und hier drinnen so langweilig, und Jerzy und Lech machen nur Krach, und, ach, ich bin einfach frustriert.« Er setzt sich neben sie, nimmt sie in den Arm und küsst sie auf die Stirn. »Ich schwör dir, wenn ich noch einmal durch den blöden Park gehen muss, schreie ich.«
»Es dauert nicht mehr lange.«
»Ich marschiere um den See, um den See, rüber zu den Schaukeln und wieder um den See. Weißt du, was der Höhepunkt meines Tages war? Ich dachte, ich hätte keine Windeln mehr. Ich dachte, ich muss zum Supermarkt fahren und Windeln kaufen, und dann habe ich noch welche gefunden. Ich habe vier Windeln gefunden und war außer mir vor Freude.«
»Sicher, aber nächsten Monat gehts ja wieder an die Arbeit.«
»Gott sei Dank!« Sie sinkt zur Seite, legt den Kopf an seine Schulter und seufzt. »Vielleicht sollte ich heute Abend nicht losziehen.«
»Nein, du musst gehen! Du hast dich doch schon seit Wochen darauf gefreut!«
»Ich bin eigentlich nicht in Stimmung dafür – ein Junggesellinnenabschied . Ich bin zu alt für so was.«
»Blödsinn …«
»Und ich mache mir Sorgen …«
»Worüber, über mich?«
»Dich allein zu lassen.«
»Also, ich bin 35 Jahre alt, Sylvie, ich war schon vorher allein zu Hause. Außerdem bin ich gar nicht allein. Jas passt auf mich auf. Wir schaffen das schon, nicht, Jas? Mine. Jasmine?«
»Bist du sicher?«
»Absolut.« Sie traut mir nicht, denkt er. Sie glaubt, ich gebe mir die Kante. Werde ich aber nicht. Bestimmt nicht.
Es ist der Junggesellinnenabschied von Rachel, der dünnsten und gemeinsten Freundin seiner Frau, und für die Übernachtung wurde eine Hotelsuite angemietet, komplett mit gutaussehendem Cocktailkellner, mit dem sie anstellen können, was sie wollen. Die Limousine, das Restaurant, der Tisch im Nachtclub, der Brunch am nächsten Morgen, alles wurde mithilfe einer Reihe diktatorischer E-Mails perfekt durchorganisiert, um jegliche Chance auf Spontaneität oder Spaß im Keim zu ersticken. Sylvie kommt erst am nächsten Nachmittag nach Hause, und Dexter ist zum ersten Mal über Nacht mit Jasmine allein. Sie steht im Bad, legt Make-up auf und überwacht Dexter, der sich hinkniet, um Jasmine zu baden.
»Und um acht bringst du sie ins Bett, ja? Das ist in 40 Minuten.«
»Gut.«
»Es ist noch jede Menge Babynahrung da, und Grünzeug habe ich auch püriert.« Grünzeug – nervig, wie sie das Wort Grünzeug betont. »Es ist im Kühlschrank.«
»Grünzeug im Kühlschrank, weiß ich doch.«
»Und falls sie es nicht essen will, im Schrank stehen noch ein paar gekaufte Gläschen, aber nur für den Notfall.«
»Und was ist mit Chips?
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