Zwei an Einem Tag
sie dich.«
»Sie hat kaum ein Wort mit mir gewechselt.«
»Sie ist bloß schüchtern und etwas schlecht drauf. So isse, mein Schwesterchen.«
Dexter lächelte. »Dein Akzent.«
»Was ist damit?«
»Er ist stärker geworden, seit wir hier oben sind.«
»Echt?«
»Sobald wir auf der M1 waren.«
»Störts dich?«
»Überhaupt nicht. Wer ist mit dem Break dran?«
Emma gewann das Spiel, und dank dem Bier auf nüchternen Magen gingen sie in angeheiterter, liebevoller Stimmung im Abendlicht zurück zum Cottage. Weil Emma auch in den Ferien arbeiten musste, hatten sie vorgehabt, die Tage zusammen zu verbringen, damit Emma abends schreiben konnte, aber der Urlaub fiel genau in die fruchtbare Zeit von Emmas Zyklus, ein Umstand, den sie voll ausnutzen mussten. »Was denn, schon wieder?«, murmelte Dexter, als Emma die Tür zumachte und ihn küsste.
»Nur, wenn du willst.«
»Schon. Ich fühle mich nur ein bisschen wie ein … Zuchthengst oder so.«
»Oh, bist du. Bist du.«
Gegen neun Uhr lag Emma schlafend in dem großen, unbequemen Bett. Draußen war es noch hell, und Dexter lauschte eine Weile ihren Atemzügen und betrachtete durch das kleine Schlafzimmerfenster den Ausschnitt violetten Moors. Rastlos stand er auf, zog sich etwas über und ging leise in die Küche hinunter, wo er sich ein Glas Wein gönnte und überlegte, was sie tun sollten. Dexter, der an nichts Unzivilisierteres als Oxfordshire gewöhnt war, schlug die Abgeschiedenheit aufs Gemüt. Dass er vergeblich auf eine Breitbandverbindung gehofft hatte, war das eine, aber in der Broschüre war sogar stolz darauf hingewiesen worden, dass es keinen Fernseher gab, und die Stille machte ihn nervös. Er wählte ein paar Songs von Thelonious Monk auf seinem MP3-Spieler aus – neuerdings hörte er viel Jazz –, ließ sich aufs Sofa plumpsen, von dem prompt ein Staubwölkchen aufstieg, und nahm ein Buch zur Hand. Halb im Scherz hatte Emma ihm Sturmhöhe für den Urlaub gekauft, aber er fand die Schwarte ziemlich ungenießbar, holte sich stattdessen den Laptop, öffnete ihn und starrte den Bildschirm an.
In dem Ordner »Eigene Dateien« gab es einen Unterordner mit dem Titel »Vermischtes«, in dem sich eine Datei mit nur 40 KB namens »großertag.doc« befand: seine Bräutigamsrede. Das Grauen seiner schwachsinnigen, unzusammenhängenden, halb improvisierten Rede bei der letzten Hochzeit war ihm noch in lebhafter Erinnerung, und er war entschlossen, diesmal alles richtig zu machen und rechtzeitig anzufangen.
Bis jetzt gestaltete sich der Text folgendermaßen:
Meine Bräutigamsrede
Nach einer stürmischen Romanze! etc.
Wie wir uns kennengelernt haben. An derselben Uni, kannten uns aber nicht. War mir aufgefallen. Ständig sauer über irgendwas, grausame Frisur. Fotos zeigen? Dachte, ich bin obercool. Latzhosen, oder doch nur Einbildung. Schließlich kennengelernt. Hat Dad Faschist genannt.
Beste Freunde, mit kleinen Unterbrechungen. Ich Idiot. Manchmal sieht man Wald vor lauter Bäumen nicht. (abgedroschen)
Wie Em beschreiben? Viele Eigenschaften. Witzig. Intelligent. Gute Tänzerin, wenn sie mal tanzt, aber grauenhafte Köchin. Musikgeschmack.
Wir streiten. Können aber immer reden, lachen. Ist wunderschön, sich dessen aber oft nicht bewusst, etc. pp. Kann gut mit Jas umgehen, kommt sogar mit Ex-Frau klar! Ho ho ha. Alle mögen sie.
Uns aus den Augen verloren. Sache mit Paris.
Endlich zusammen, nach fast 15 Jahren stürmischer Romanze, endlich ergibt alles Sinn. Alle Freunde meinen, habs dir ja gesagt. Glücklich wie nie.
Pause, während Hochzeitsgesellschaft geschlossen reihert.
Erste Ehe erwähnen. Diesmal alles richtig machen. Dank den Kellnern. Dank an Sue und Jim für Willkommen in Familie. Komme mir vor wie Nordengländer ehrenhalber, Witze einstreuen usw. Telegramme? Abwesende Freunde. Schade, dass Mum nicht da. Hätte sich gefreut. Endlich!
Ein Hoch auf meine wunderschöne Frau bla-di-bla-di-bla-bla-bla-bla-bla.
Es war ein Anfang, das Grundgerüst war da. Er machte sich ernsthaft an die Arbeit, änderte die Schriftart von Courier zu Arial zu Times New Roman und wieder zurück, setzte alles kursiv, zählte die Wörter und stellte die Absätze und den Rand neu ein, damit es nach mehr aussah.
Schließlich übte er die Rede laut, benutzte die Stichwörter als Grundlage und versuchte, die Gewandtheit aus Fernsehtagen wiederzugewinnen.
»Vielen Dank, dass ihr so zahlreich erschienen seid …«
Als er über sich die Dielen knarren hörte, klappte
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