Zwei an Einem Tag
er hastig das Notebook zu, ließ es verstohlen unterm Sofa verschwinden und griff nach Sturmhöhe.
Nackt und verschlafen kam Emma die Treppe herunter, blieb auf halber Höhe stehen, setzte sich hin und schlang die Arme um die Knie. Sie gähnte. »Wie spät ist es?«
»Viertel vor zehn. Praktisch mitten in der Nacht, Em.«
Wieder gähnte sie. »Du hast mich geschafft.« Sie lachte. »Du Hengst.«
»Zieh dir was an, ja?«
»Was machst du da überhaupt?« Er hielt Sturmhöhe hoch, und Emma lächelte. »›Ich kann nicht ohne mein Leben leben! Ich kann nicht ohne meine Seele leben!‹ Oder war es ›ohne mein Leben lieben‹? Oder ›ohne meine Liebe leben‹? Habs vergessen.«
»Da bin ich noch nicht. Im Moment schwafelt noch diese Tussi namens Nelly rum.«
»Es wird besser, versprochen.«
»Warum noch mal gibts hier keinen Fernseher?«
»Weil wir uns selbst unterhalten sollen. Komm zurück ins Bett und rede mit mir.«
Er stand auf, ging zur Treppe, beugte sie über das Geländer und küsste sie. »Versprich, dass du mich nicht wieder zum Sex nötigst.«
»Und was sollen wir stattdessen tun?«
»Es mag komisch klingen«, sagt er und sah verlegen drein, »aber ich hätte nichts gegen eine Partie Scrabble.«
KAPITEL ACHTZEHN
Die Mitte
Donnerstag, 15. Juli 2004
Belsize Park
Etwas Merkwürdiges ging mit Dexters Gesicht vor sich.
Drahtige, schwarze Haare wuchsen ihm oben auf den Wangen, während sich gleichzeitig in seinen Augenbrauen vereinzelte lange graue Haare zeigten. Als wäre das nicht genug, tauchte auf den Ohren rings um den Gehörgang und unten an den Ohrläppchen ein feiner, heller Flaum auf: Haare, die über Nacht zu sprießen schienen wie Kresse und keinem anderen Zweck dienten, als darauf aufmerksam zu machen, dass er sich den mittleren Jahren näherte. In den mittleren Jahren war.
Dann gab es noch die Geheimratsecken, die nach dem Duschen besonders auffällig waren: Zwei parallele kahle Stellen, die immer breiter wurden und ihm die Stirn hochkrochen, und wenn sie sich eines Tages trafen, wäre alles vorbei. Er trocknete sich das Haar mit einem Handtuch ab und strich es sich mit den Fingerspitzen zurecht, bis die kahlen Stellen bedeckt waren.
Auch mit Dexters Hals ging etwas Merkwürdiges vor sich. Die Haut unter dem Kinn erschlaffte, er bekam eine Art Hautfalte unter dem Kinn, sein Schwabbelkinn, wie ein fleischfarbener Rollkragenpulli. Nackt stand er vor dem Badezimmerspiegel und legte sich die Hand auf den Hals, als wolle er ihn wieder in Form pressen. Es war, wie in einem baufälligen Haus zu wohnen – jeden Morgen wachte er auf und überprüfte, ob über Nacht neue Risse entstanden oder etwas abgesackt war. Das Fleisch wurde immer schlaffer, das typische Aussehen von Leuten, deren Muckibuden-Mitgliedschaft schon ewig abgelaufen ist. Er bekam einen Bauchansatz, und das Merkwürdigste überhaupt ging mit seinen Brustwarzen vor sich. Es gab Kleidungsstücke, die er überhaupt nicht mehr tragen mochte, wie eng anliegende Hemden oder gerippte Wolloberteile, denn dann zeichneten sie sich ab, mädchenhaft und abstoßend, wie Nacktschnecken. Außerdem sah er in Kleidungsstücken mit Kapuze absurd aus, und erst letzte Woche hatte er sich dabei ertappt, dass er wie gebannt der Fragestunde für Gärtner im Radio gelauscht hatte. In zwei Wochen wurde er 40.
Er schüttelte den Kopf und sagte sich, alles sei halb so wild. Wenn er sich schnell zum Spiegel umwandte, den Kopf leicht drehte und die Luft anhielt, ging er immer noch für, was, 37?, durch. Er war noch eitel genug, um zu wissen, dass er ein ungewöhnlich gutaussehender Mann war, aber niemand bezeichnete ihn mehr als schön, dabei war er immer davon ausgegangen, er würde besser altern. Genauer genommen hatte er gehofft, wie ein Filmstar zu altern: drahtig, elegant, mit Adlernase und grauen Schläfen. Stattdessen alterte er wie ein TV-Moderator. Ein Ex-TV-Moderator. Ein zweimal verheirateter Ex-TV-Moderator, der zu viel Käse isst.
Emma kam nackt aus dem Schlafzimmer, und er fing an, sich die Zähne zu putzen, noch so ein Fimmel von ihm: Er hatte das Gefühl, sein Mund sei alt und würde nie mehr richtig sauber werden.
»Ich werde fett«, murmelt er mit Schaum im Mund.
»Ach was«, wiegelte sie schwach ab.
»Wohl – guck doch.«
»Dann iss nicht so viel Käse«, sagte sie.
»Du hast doch gesagt, ich bin nicht fett.«
»Wenn du dich fett fühlst, bist dus.«
»Und so viel Käse esse ich gar nicht. Mein Stoffwechsel verlangsamt sich,
Weitere Kostenlose Bücher