Zwei an Einem Tag
riesigen, leicht finster wirkenden Jeep vor dem Haus parken. Es ist ein Gangsterauto, durch die Windschutzscheibe sind zwei Gestalten auszumachen, eine massig und klein, die andere groß und schlank: Sylvie und Callum, die sich einmal mehr wild gestikulierend streiten. Emma hört sie sogar von der anderen Straßenseite aus, und als sie das Rad näher heranrollt, kann sie Callums verzerrtes Gesicht und Jasmine auf dem Rücksitz erkennen, die in dem Versuch, den Lärm zu ignorieren, in ein Bilderbuch starrt. Emma klopft an die Scheibe, und Jasmine schaut hoch, den breiten Mund zu einem Grinsen verzogen, so dass winzige, weiße Zähne sichtbar werden, und sie reckt sich ihr trotz Sicherheitsgurt entgegen.
Durchs Fenster nicken Emma und Callum sich zu. Die Etikette von Untreue, Trennung und Scheidung haben etwas von Kindergarten, aber Loyalitäten sind erklärt und Feindschaften geschworen worden, und Emma darf nicht mehr mit Callum sprechen, obwohl sie ihn seit fast 20 Jahren kennt. Was die Ex-Frau anbelangt, Sylvie und Emma haben sich auf einen freundlichen, unbeschwerten Ton geeinigt, trotzdem scheint die gegenseitige Abneigung durch wie ein Hitzeflimmern.
»Sorry!«, sagt Sylvie und streckt die langen Beine aus dem Wagen, »nur eine kleine Meinungsverschiedenheit darüber, wie viel Gepäck wir mitnehmen!«
»Urlaub kann stressig sein«, bemerkt Emma nichtssagend. Jasmine wird aus dem Kindersitz genommen, klettert auf Emmas Arm, schmiegt ihr das Gesicht an den Hals und schlingt ihr die dünnen Beinchen um die Taille. Emma lächelt verlegen, als wolle sie sagen »Was kann ich dafür?«, und Sylvie lächelt zurück, so steif und unnatürlich, dass es eine Überraschung ist, dass sie nicht die Finger zur Hilfe nehmen muss.
»Wo ist Daddy?«, fragt Jasmine an Emmas Hals.
»Bei der Arbeit, er kommt bald nach Hause.«
Emma und Sylvie lächeln sich weiter an.
»Und, wie läufts?«, fragt Sylvie schließlich. »Das Café?«
»Gut, wirklich gut.«
»Tja, schade, dass ich ihn verpasse. Grüß ihn von mir.«
Wieder Schweigen. Callum lässt den Wagen an, um sie zur Eile anzutreiben.
»Möchtet ihr reinkommen?«, fragt Emma, obwohl sie die Antwort kennt.
»Nein, wir fahren besser los.«
»Wohin gehts noch mal?«
»Mexiko.«
»Mexiko. Wie schön.«
»Warst du mal da?«
»Nein, aber ich habe mal in einem mexikanischen Restaurant gearbeitet.«
Sylvie schnalzt tatsächlich missbilligend mit der Zunge, und Callum schreit vom Vordersitz: »Jetzt komm schon! Ich will nicht im Stau steckenbleiben!«
Jasmine wird für das Abschiedsküsschen, das obligatorische »Sei brav« und »Nicht zu viel Fernsehen« zurück ins Auto gereicht, und diskret trägt Emma Jasmines Gepäck ins Haus, einen bonbonrosafarbenen Plastikkoffer mit Rollen und einen Rucksack in Pandaform. Als Emma zurückkommt, steht Jasmine etwas steif auf dem Gehsteig und wartet, einen Stapel Bilderbücher an die Brust gedrückt. Sie ist hübsch, makellos und ein bisschen schwermütig, ganz die Tochter ihrer Mutter, das absolute Gegenteil von Emma.
»Wir müssen los. Das Einchecken ist ein Alptraum.« Sylvie zieht die langen Beine in den Wagen wie ein Taschenmesser. Callum hat den Blick starr geradeaus gerichtet.
»So. Dann genießt Mexiko. Viel Spaß beim Schnorcheln.«
»Nicht Schnorcheln, Tauchen. Schnorcheln ist was für Kinder«, sagt Sylvie unbeabsichtigt schroff.
Emma ist eingeschnappt. »Wie konnte ich das verwechseln. Tauchen! Dann geh mal nicht unter!« Sylvie zieht die Augenbrauen hoch, ihr Mund bildet ein vollkommenes »O«, aber was kann Emma sagen, um es wiedergutzumachen? Das war mein Ernst, Sylvie, geh nicht unter, ich will nicht, dass du ertrinkst? Zu spät, das Kind ist in den Brunnen gefallen, die Illusion von Schwesterlichkeit dahin. Sylvie drückt Jasmine einen Kuss aufs Haar, knallt die Tür zu und ist weg.
Emma und Jasmine bleiben stehen und winken.
»Und, Min, dein Dad ist nicht vor sechs zurück. Was willst du unternehmen?«
»Weiß nicht.«
»Es ist noch früh. Sollen wir in den Zoo gehen?«
Jasmine nickt heftig. Emma hat eine Familienkarte für den Zoo, und sie geht ins Haus, um sich für einen weiteren Nachmittag mit der Tochter einer anderen Frau fertig zu machen.
Die ehemalige Mrs Mayhew sitzt mit verschränkten Armen in dem großen, schwarzen Wagen, den Kopf an die getönte Scheibe gelehnt und die Beine unter sich gezogen, während Callum über den Verkehr auf der Euston Road flucht. Sie sprechen kaum mehr miteinander,
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