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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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meist schreien sie oder zischen sich an, und dieser Urlaub ist wie die anderen auch, ein Versuch, ihre Beziehung zu kitten.
    Das letzte halbe Jahr war nicht gerade ein Erfolg. Callum hat sich als gemeiner Rüpel entpuppt. Was sie für Elan und Ehrgeiz gehalten hat, ist in Wirklichkeit die Weigerung, nachts nach Hause zu kommen. Sie verdächtigt ihn, Affären zu haben. Er scheint Sylvies Gegenwart in seinem Haus übel zu nehmen – und Jasmines Gegenwart auch: Er schreit sie an, weil sie sich nun mal wie ein Kind benimmt, oder geht ihr aus dem Weg. Er wirft ihr absurde Sprüche an den Kopf: »Quid pro quo, Jasmine, quid pro quo.« Sie ist zweieinhalb, verdammt. Dexter war trotz aller Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit wenigstens bemüht, manchmal zu sehr. Callum dagegen behandelt Jasmine wie einen Dienstboten, der seine Arbeit nicht korrekt ausführt. Und wo ihre Familie Dexter gegenüber zurückhaltend war, verabscheuen sie Callum ganz offen.
    Immer, wenn sie ihren Ex-Mann jetzt sieht, strahlt er über das ganze Gesicht und trägt sein Glück zur Schau wie ein Sektenmitglied.
    Er wirft Jasmine in die Luft, trägt sie huckepack und führt bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor, was für ein toller Vater er geworden ist. Und dann diese Emma, von Jasmine hört man nur noch Emma-hier und Emma-da, Emma ist die allerbeste Freundin ihrer Tochter. Sie bringt bunte Karten mit aufgeklebten Nudeln mit, und wenn man sie fragt, was es darstellen soll, sagt sie, Emma, und plappert stundenlang über die gemeinsamen Zoobesuche. Anscheinend haben sie eine Familienkarte. Die unerträgliche Selbstgefälligkeit der beiden, Dex und Em, Em und Dex, er mit seinem popeligen Tante-Emma-Laden – Callum ist mittlerweile stolzer Besitzer von 48 Natural-Stuff-Filialen – und sie mit ihrem Fahrrad, der immer dicker werdenden Taille, der Studentenattitüde und der gottverdammten Ironie. Es kommt Sylvie irgendwie unheimlich und berechnend vor, dass Emma von der Patentante zur Stiefmutter aufgestiegen ist, als hätte sie nur auf eine Gelegenheit gewartet, gelauert, bereit, jederzeit zuzuschlagen. Geh nicht unter! Dreiste Kuh.
    Neben ihr flucht Callum über den Verkehr auf der Marylebone Road, und Sylvie verspürt heftigen Neid auf das Glück der beiden und die Tatsache, dass sie einmal nicht auf der Gewinnerseite steht. Gleichzeitig ist sie traurig darüber, wie schäbig, ungnädig und boshaft ihre Gedanken sind. Schließlich hat sie Dexter verlassen und ihm das Herz gebrochen.
    Callum flucht jetzt über den Verkehr auf dem Westway. Sie will bald noch einmal schwanger werden, aber wie? Vor ihr liegt eine Woche Tauchen in einem mexikanischen Luxushotel, aber sie weiß schon jetzt, dass das nicht reichen wird.

KAPITEL SIEBZEHN
großertag.doc
    Dienstag, 15. Juli 2003

North Yorkshire
    Das Ferien-Cottage sah völlig anders aus als auf den Fotos. Es war klein, finster und verströmte den typischen Ferien-Cottage-Geruch nach Lufterfrischer und muffigen Schränken. Die dicken Steinwände schienen die Winterkälte zu speichern, so dass es selbst an einem glühendheißen Julitag kühl und feucht war.
    Aber das fiel nicht ins Gewicht. Es war funktional, abgeschieden, und die Aussicht auf die Moore von North Yorkshire raubte einem selbst durch die winzigen Fenster den Atem. Meistens gingen sie wandern, fuhren die Küste entlang oder besichtigten altmodische Badeorte, die Emma von Kindheitsausflügen kannte, staubige Kleinstädte, die anscheinend im Jahr 1976 stehengeblieben waren. Heute, am vierten Tag des Urlaubs, schlenderten sie in Filey über die breite Promenade, die parallel zum langen Strand verläuft, der an diesem Dienstag während des Schuljahrs noch ziemlich leer war.
    »Siehst du die Stelle da drüben? Da wurde meine Schwester mal von ’nem Hund gebissen.«
    »Was du nicht sagst. Welche Rasse?«
    »Oh nein, langweile ich dich etwa?«
    »Nur ein bisschen.«
    »Tja, Pech für dich. Wir haben noch vier Tage.«
    Am Nachmittag hatten sie sich eigentlich eine ehrgeizige Wanderung zu einem Wasserfall vorgenommen, die Emma am Abend zuvor geplant hatte, aber eine Stunde später standen sie auf dem Moor und starrten verständnislos auf die Karte, gaben schließlich auf, legten sich auf das ausgedörrte Heidekraut und dösten in der Sonne. Emma hatte ein Vogelbestimmungsbuch und einen unförmigen ehemaligen Armeefeldstecher mitgenommen, der so groß und schwer war wie ein Dieselmotor und den sie sich jetzt unter erheblichem Kraftaufwand vor die

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