Zwei an Einem Tag
einen anderen Behälter mit dem Fuß an. »Das Zeug hier ist Salsa. Pass auf, dass es nicht auf die Haut kommt. Es ist ätzend.«
Die Sache ist die, Em, als ich vorhin im Regen in die Herberge zurückgerannt bin – der Regen hier ist warm, manchmal fast heiß, anders als der Regen in London –, war ich, wie gesagt, ziemlich hinüber, und ertappte mich dabei, wie ich an dich dachte und wie schade ich es fand, dass du nicht da warst, um das hier mitzuerleben, und ich hatte eine Offenbarung, und zwar folgende:
Du solltest hier bei mir sein. In Indien.
Und das ist meine große Idee, vielleicht ist sie total bescheuert, aber ich schicke den Brief ab, bevor ich meine Meinung ändern kann. Folge einfach diesen Anweisungen.
1 – Kündige auf der Stelle diesen Scheißjob. Sollen sie sich doch jemand anders suchen, der für 2,20 die Stunde Tortilla-Chips mit Käse überbackt. Steck eine Flasche Tequila ein und marschier zur Tür hinaus. Stell dir vor, wie sich das anfühlen würde, Em. Geh einfach. Jetzt sofort.
2 – Außerdem finde ich, du solltest aus dieser Wohnung ausziehen. Tilly nimmt dich total aus, knöpft dir jede Menge Kohle für einen fensterlosen Verschlag ab. Es ist keine Abstellkammer, sondern ein Schuhkarton, und du solltest dich da schnellstmöglich vom Acker machen, soll doch jemand anders ihre grauen Riesen-BHs auswringen. Wenn ich in die sogenannte Realität zurückkehre, kaufe ich mir eine Wohnung, weil ich so ein überprivilegiertes Kapitalistenschwein bin, und du kannst jederzeit vorbeikommen und ein Weilchen bleiben oder auch für immer, wenn du magst, denn ich glaube, wir würden gut miteinander auskommen, meinst du nicht? Du weißt schon, als MITBEWOHNER. Vorausgesetzt natürlich, du kannst meiner sexuellen Anziehungskraft widerstehen, haha. Wenns zum Äußersten kommt, kann ich dich ja nachts in dein Zimmer einschließen. Wie auch immer, jetzt kommt der Hammer:
3 – Wenn du das hier gelesen hast, geh schnurstracks ins Studentenreisebüro in der Tottenham Court Road und buch ein Ticket mit OFFENEM RÜCKFLUG nach Delhi, mit dem du in ungefähr zwei Wochen, möglichst kurz vor dem 1. August, ankommst, meinem Geburtstag, falls du es vergessen hast. Am Abend vorher nimmst du den Zug nach Agra und übernachtest in einem billigen Motel. Am nächsten Morgen stehst du früh auf und gehst zum Taj Mahal. Vielleicht hast du schon davon gehört, großes weißes Gebäude, benannt nach einem indischen Restaurant in der Lothian Street. Sieh dich ein bisschen um und stell dich um genau zwölf Uhr mittags mit einer roten Rose in der einen und einer »Nicholas-Nickleby«-Ausgabe in der anderen Hand direkt unter die Kuppel, und ich werde kommen und dich finden, Em. Ich werde eine weiße Rose und eine Ausgabe von »Howards End« in den Händen halten, die ich dir an den Kopf werfe, sobald ich dich sehe.
Ist das nicht der geilste Plan, von dem du je gehört hast?
Ach, typisch Dexter, sagst du, hat er nicht eine Kleinigkeit vergessen? Geld! Flugtickets wachsen nicht auf Bäumen, und was ist mit sozialer Absicherung, Arbeitsethik usw., usw. Keine Sorge, ich zahle. Ja, ich zahle. Ich telegrafiere dir das Geld fürs Flugticket (das wollte ich schon immer mal tun), und hier zahle ich dir auch alles, klingt großkotzig, ist es aber nicht, weil hier alles SPOTTBILLIG ist. Wir können hier monatelang leben, Em, du und ich, und runter nach Kerala oder rüber nach Thailand fahren. Wir könnten eine Vollmondfeier besuchen – stell dir vor, die ganze Nacht aufbleiben, nicht aus Sorge um die Zukunft, sondern aus SPASS. (Weißt du noch, wie wir nach der Graduierung die ganze Nacht wach geblieben sind, Em? Egal. Weiter im Text.)
Für 300 Pfund fremden Geldes kannst du dein Leben ändern, du brauchst dir deshalb auch keinen Kopf zu machen, schließlich habe ich das Geld nicht selbst verdient, und du arbeitest wirklich hart und hast trotzdem keine Kohle, also ist das doch gelebter Sozialismus, oder? Und wenn du unbedingt willst, kannst du es mir zurückzahlen, wenn du eine berühmte Dramatikerin bist, Dichten plötzlich bezahlt wird oder so. Außerdem ist es ja nur für drei Monate. Im Herbst muss ich sowieso zurück. Wie du weißt, gehts Mum nicht besonders. Sie hat zwar gesagt, die Operation sei gut verlaufen, und vielleicht stimmt das sogar, aber vielleicht will sie mich auch nur beruhigen. Jedenfalls muss ich irgendwann nach Hause. (Übrigens, meine Mutter hat eine Theorie über dich und mich, und wenn du zum Taj Mahal kommst,
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