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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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gebratenen Zwiebeln? Weicht Tilly Killick ihre großen, grauen BHs immer noch in der Spülschüssel ein? Arbeitest du immer noch im Mucho Loco oder wie das heißt? Über deinen letzten Brief habe ich mich bepisst vor Lachen, Em, aber du solltest da aufhören, für Pointen mag es ja gut sein, aber es ist definitiv schlecht für die Seele. Du kannst nicht für ein paar witzige Anekdoten Jahre deines Lebens verschwenden.
Was mich zum Grund meines Briefes bringt. Bist du bereit? Vielleicht setzt du dich lieber …
    »So, Ian – willkommen auf dem Friedhof der begrabenen Ambitionen!«
    Emma stieß die Tür des Personalraums auf und warf dabei ein Glas um, in dem Kippen vom Vortag in Lagerbier schwammen. Die Besichtigungstour hatte sie in den kleinen, nasskalten Personalraum zurückgeführt, der auf die Kentish Town Road hinausging. Diese war schon voller Studenten und Touristen auf dem Weg zum Camden Market, um überdimensionierte Pelzzylinder und Smiley-T-Shirts zu kaufen.
    »Loco Caliente bedeutet verrückt und heiß; ›heiß‹, weil die Klimaanlage kaputt ist, und ›verrückt‹ muss man sein, wenn man hier isst. Oder arbeitet. Mucho, mucho loco. Ich zeig dir, wo du dein Zeug lassen kannst.« Zusammen stapften sie durch eine Schicht alter Zeitungen zu dem ramponierten alten Büroschrank. »Das ist dein Schließfach. Es ist nicht abschließbar. Und versuch gar nicht erst, deine Uniform über Nacht hierzulassen, sie wird nur geklaut, Gott weiß warum. Die Geschäftsleitung rastet aus, wenn du die Kappe verlierst. Sie tauchen dich mit dem Gesicht voran in die scharfe Barbecuesoße …«
    Ian lachte, ein herzliches, leicht gezwungenes Glucksen, und Emma wandte sich seufzend dem Personalküchentisch zu, der mit schmutzigem Geschirr vom Vortag übersät war. »Die Mittagspause dauert zwanzig Minuten, und du kannst alles von der Karte haben, außer den Riesengarnelen, was man als Glück im Unglück bezeichnen kann. Finger weg von den Riesengarnelen, wenn dir dein Leben lieb ist. Das ist Russisches Roulette, eine von sechs kann dich umbringen.« Sie fing an, den Tisch abzuräumen.
    »Warte, lass mich …«, sagte Ian und griff mit spitzen Fingern nach einem mit Fleischsaft verschmierten Teller. Typisch Neuer – noch ganz zimperlich, dachte Emma, die ihn beobachtete. Er hatte ein sympathisches, breites, offenes Gesicht mit glatten, roten Wangen, einem jetzt leicht geöffneten, entspannten Mund unter losen strohblonden Locken. Nicht gerade gutaussehend, aber, nun ja – solide. Aus irgendeinem, nicht unbedingt netten Grund weckte sein Gesicht bei ihr Assoziationen an einen Bauernhof.
    Plötzlich bemerkte er ihren Blick, und hastig sagte sie: »Dann erzähl mal, Ian, was treibt dich gen Mexiko?«
    »Och, keine Ahnung. Muss die Miete zahlen.«
    »Kannst du nichts anderes machen? Zeitarbeit, bei deinen Eltern wohnen oder so?«
    »Ich muss in London wohnen und bin auf flexible Arbeitszeiten angewiesen …«
    »Warum, was ist dein Schrägstrich?«
    »Mein was?«
    »Dein Schrägstrich. Jeder, der hier arbeitet, hat einen Schrägstrich. Kellner-Schrägstrich-Künstler, Kellner-Schrägstrich-Schauspieler. Paddy der Barmann behauptet, er wäre ein Model, aber daran zweifle ich ehrlich gesagt.«
    »Tjaaaaaa. Ich schätze, dann bin ich Comedian!«, sagte Ian mit einem Akzent, der wohl nordenglisch sein sollte. Grinsend hielt er sich die Hände neben das Gesicht und wackelte mit den Fingern wie ein Komiker aus einer billigen Seebad-Revue.
    »Aha. Nun ja, Lachen ist gesund. Und welche Richtung, Stand-up?«
    »Hauptsächlich. Und du?«
    »Ich?«
    »Dein Schrägstrich? Was machst du noch?«
    Emma überlegte, ob sie »Dramatikerin« sagen sollte, aber auch drei Monate nachdem sie vor praktisch leerem Saal Emily Dickinson gespielt hatte, war die Demütigung noch zu frisch. Hätte sie stattdessen »Astronautin« gesagt, wäre es genauso wahr gewesen. »Och, ich bin …« Sie schälte einen Burrito aus der hart gewordenen Käsekruste. »Ich mache nur das hier.«
    »Und, gefällts dir?«
    » Gefallen? Es ist mein Traumjob! Wem würde das nicht gefallen?« Mit einem benutzten Geschirrtuch wischte sie sich den Ketchup vom Vortag von den Händen und ging zur Tür. »So, jetzt zeige ich dir die Toilette. Sei tapfer …«
Seit Beginn dieses Briefes habe ich noch zwei Bier getrinkt (getrunken? getrunken gehabt?) und bin jetzt bereit, mit der Sprache rauszurücken. Los gehts. Em, wir kennen uns jetzt fünf oder sechs Jahre, sind aber erst zwei Jahre

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